Erhebungszeitraum VOR Wahl der Parteispitze
in Parteien - kritisch betrachtet 07.12.2019 11:32von Findus • | 2.765 Beiträge
Schaut euch doch mal genau den Erhebungszeitraum der RTL - Befragung an. Der Erhebungszeitraum der RTL - Befragung war im Zeitraum 02. bis 06. Dezember. Also eine Befragung letztlich VOR Wahl der neuen Parteispitze der SPD und VOR ihrem Parteitag.
Also einem Zeitraum, wo auch die Konservativen in der SPD gegen die Nachverhandlungspläne der designierten neuen Spitze trommelten und noch spekuliert wurde, ob nicht doch Olaf Scholz gewählt würde.
RE: Erhebungszeitraum VOR Wahl der Parteispitze
in Parteien - kritisch betrachtet 07.12.2019 11:44von Meridian • | 2.940 Beiträge
Das ist nicht so wichtig. Fürs Volk ist die neue SPD-Spitze zumeist als gegeben betrachtet. Und die Medien haben das auch so erscheinen lassen, auch wenn noch auf deren anzustehende Bestätigung während des Parteitages hingewiesen wurde. Auch ich habe mit deren Wahl fest gerechnet, denn die SPD ist durch ihre schwelende Konflikte derart zermürbt, dass sie noch eine Krise nicht mehr hervorrufen will, jedenfalls nicht absichtlich. Vor zukünftigen möglichen Krisen schützt das allerdings nicht.
Dennoch kann man gespannt sein, wie sich die Umfragen entwickeln wird.
Die äußere Welt ist der Spiegel deines Inneren.
RE: Ehrliche Sozialdemokratie :)
in Parteien - kritisch betrachtet 07.12.2019 13:28von Meridian • | 2.940 Beiträge
Ich glaube, selbst mit der neuen Führung gibt es keine ehrliche Sozialdemokratie. Zu sehr ist die SPD von alten Seilschaften durchzogen. Ob eine Selbstauflösung und eine Neugründung, die nur ehemalige SPDler des linken Flügels zulässt, der bessere Weg ist? Der Seeheimer Kreis und die Netzwerker können ja eine sozialliberale Partei gründen.
Oder du gehst in die Schweiz. Die dortige SP gilt als eine der am meisten links orientierten aller sozialdemokratischen Parteien in Europa (incl. der Mitte-Links-Volksparteien, die sich Sozialisten nennen wie in Spanien oder Portugal). Man kann sie zwischen dem linken Flügel der SPD und den Linken unter Ramelow verorten. Muss sie auch als Gegenkraft zur rechtspopulistischen SVP. Die dortigen Grünen sind aber auch ziemlich links orientiert. Da ergab sich aus einer Spaltung der Grünen in die genannten linken Grünen und in Grünliberale. Somit gibt es dort 2 Parteien, die viel soziales Profil haben.
Die äußere Welt ist der Spiegel deines Inneren.
RE: Ehrliche Sozialdemokratie :)
in Parteien - kritisch betrachtet 07.12.2019 13:33von Atue (gelöscht)
Die wahre Krise der Sozialdemokratie steht noch bevor. Ich denke, dass die Groko halten wird, aber immer unbeliebter wird. Die Quittung könnte ein einstelliges Wahlergebnis bei der nächsten Bundestagswahl sein, enttäuschte SPD-Mitglieder, Austritte, und vor allem Rücktritte von Spitzenleuten. Die SPD wird damit noch schwächer.
Die Frage ist, wer in der SPD dereinst als neue Hoffnungsträgerin den Umschwung hinbekommt.
Hubertus Heil?
Kühnert ist meiner Ansicht nach noch zu früh dran und auch derzeit noch zu wenig charismatisch.
RE: Ehrliche Sozialdemokratie :)
in Parteien - kritisch betrachtet 07.12.2019 13:47von Findus • | 2.765 Beiträge
Es wird der Sozialdemokratie eben nicht gedankt, nach den gescheiterten Jamaika-Verhandlungen für gelb und grün eingesprungen zu sein.
Wenn du diesen Trend so beschreibst, Atue, bliebe die Linkspartei als letzte linke Partei übrig. Aber auch dort sieht es nicht gut aus. Und die Grünen sind und bleiben die Kinder der Konservativen.
RE: Ehrliche Sozialdemokratie :)
in Parteien - kritisch betrachtet 07.12.2019 14:01von Meridian • | 2.940 Beiträge
Tja, liebe Leute, wenn wir Pech haben, wird es enden wie in Polen:
Dort wurde nicht nur der Kommunismus besiegt, sondern auch die Sozialdemokratie. Die Polen können - grob ausgedrückt - nur wählen zwischen liberal-national wie die derzeitige an der Regierung befindliche PiS oder liberal-weltoffen wie Tusk. Weiter Parteien sind z.B. Bauernpartei oder Rechtsextreme wie die Familienpartei (gegen anders-sexuelle).
Hier sieht man, wie ein Beton-Kommunismus zu einer Aversion gegen alles Linke geführt hat.
Die äußere Welt ist der Spiegel deines Inneren.
RE: Ehrliche Sozialdemokratie :)
in Parteien - kritisch betrachtet 07.12.2019 23:24von Atue (gelöscht)
Zitat von Findus im Beitrag #501
Und die Grünen sind und bleiben die Kinder der Konservativen.
Die Grünen haben sicher auch Wurzeln im Konservaten Lager. Aber auch starke Wurzeln im Lager, dass man an anderer Stelle bei Sozialdemokraten suchen würde.
Bei den Grünen sehe ich im Gegensatz zu den Konservativen einen relativ breiten Konsens, dass man auch soziale Politik machen will. Neoliberale Tendenzen sehe ich bei den Grünen eher weniger - häufiger dann doch die Tendenz, Dinge verbieten zu wollen.
Dass die Grünen auch eine grüne soziale Marktwirtschaft wollen, ist für mich nicht verwerflich.
Bedenklicher stimmt mich, dass es bei den Grünen fast keine Arbeiter oder einfache Angestellte gibt, da sind doch die meisten studiert. Das muss nicht per se schlimm sein, aber es bleibt die Frage, ob die Kluft zu den Arbeiterschichten in Deutschland politisch überbrückt werden kann.
Übrigens sehe ich das auch als eine Misere bei der SPD an. Auch in der SPD finden sich zu wenige, die noch den klassischen Arbeiter oder Arbeitslosen mit seinen Sorgen und Nöten vertreten können. Das gelingt mehr der Linken, und leider zunehmend mehr auch der AFD - nicht intellektuell, aber indem man einfach so tut, als ob man auch die einfachen Parolen der Stammtische vertreten würde.
Spannend wäre mal ein wenig zu definieren, was ihr/wir hier als "Ehrliche Sozialdemokratie" so sehen.....
RE: Ehrliche Sozialdemokratie :)
in Parteien - kritisch betrachtet 08.12.2019 06:44von Findus • | 2.765 Beiträge
Wir schreiben hier über die Sozialdemokratie, also ist das ein guter Themenvorschlag:
Zitat von Atue im Beitrag #503
Spannend wäre mal ein wenig zu definieren, was ihr/wir hier als "Ehrliche Sozialdemokratie" so sehen.....
Um sich der Sache anzunäheren:
Kernthemen müssen Soziale Gerechtigkeit und gesellschaftliche Aufstiegschancen bleiben. Hieran muss das Handeln ausgerichtet werden.
Eine sozialdemokratische Partei wird mit dieser Orientierung z.B. auch erfolreich gegen den Klimawandel vorgehen, aber im Gegensatz zu marktradikalen Grünen die Kohle-Kumpel in der Lausitz nicht im Regen stehen lassen. Saskia Esken hat bereits viel über einen lebenslangen Anspruch auf Weiterbildung gesagt, der ermöglicht und als Phase im Arbeitsleben finanziell abgesichert werden muss.
Es gibt vielleicht "den Arbeiter" in der Industrie nicht mehr in so großer Zahl, dafür ein städtisches Dienstleistungs-Prekariat. Eine Personengruppe, die vor vielfältigen sozialen Herausforderungen steht, bislang politisch jedoch kaum gehört wird. Das wären Menschen, um die sich eine Sozialdemokratie kümmern müsste.
Den Bildungsaufsteigern der 1970er Jahre und ihren Kindern sollte sich die Sozialdemokratie weiterhin verbunden fühlen und Angebote für eine solidarischere Gesellschaft manchen.
Den Gedanken, kein Kind zurück zu lassen, finde ich ur-sozialdemokratisch. Kinder sind unsere Zukunft und verdienen alle Chancen für ihr Leben. Bildung, Unterstützung, materielle Sicherheit. Die vom SPD - Parteitag frisch beschlossene Kindergrundsicherung entspricht letztlich auch dem aktuellen Stand der wissenschaftlichen DIskussion.
Den richtigen Weg zum Bürgergeld sollte die SPD vertiefen. Mehr individuelle Unterstützungsangebote, dafür keine Sanktionen mehr.
Und da du gerne und viel über die Grünen schreibst, auch eine Antwort wenigstens auf einen Aspekt:
Zitat von Atue im Beitrag #503
Dass die Grünen auch eine grüne soziale Marktwirtschaft wollen, ist für mich nicht verwerflich.
Wer über "soziale Marktwirtschaft" spricht, sollte sich genauer mit diesem politischen Kampfbegriff und seiner Geschichte befassen. Wenn man sich die Zeit nimmt, versteht man, wie marktradikale Grüne dieses Missverständnis nutzen können um sozialer zu erscheinen als sie sind.
DIe Sozialdemokratie muss sich in ihrer politischen Diskussion endlich auch an den Grünen abarbeiten und eben nicht nur an CDU und FDP.
RE: Ehrliche Sozialdemokratie :)
in Parteien - kritisch betrachtet 09.12.2019 00:56von Atue (gelöscht)
Zitat von Findus im Beitrag #504
Eine sozialdemokratische Partei wird mit dieser Orientierung z.B. auch erfolreich gegen den Klimawandel vorgehen, aber im Gegensatz zu marktradikalen Grünen die Kohle-Kumpel in der Lausitz nicht im Regen stehen lassen.
Ich denke, inhaltlich sehen wir da vieles sehr ähnlich. bei den Kohle-Kumpeln aber stößt es mir regelmäßig sauer auf.
Es sind deutlich weniger als 10.000 Kumpels dort betroffen - und für die wird nun eine individuelle Politik gemacht, die deren Arbeitsplätze auf Kosten der Umwelt (und damit auch der Allgemeinheit) möglichst lange erhält.
Ich habe nichts (!) dagegen, dass man sich um diese 10.000 Kumpels vernünftig kümmert - im Sinne von Umschulungen, Weiterbildungen, Jobvermittlung etc. etc. etc.....
ABER: Was ich so typisch Sozialdemokratisch empfinde, und was ich immer wieder als Altbacken und Überholt erlebe ist, dass bei Kohle und Stahl der typische Sozialdemokrat zuckt und die Umwelt auf der Seite liegen lässt, und sich dafür einsetzt, ein paar Arbeitsplätze zu erhalten......wenn parallel dazu teilweise sogar in derselben Gegend tausende Arbeitsplätze in der Zukunftsindustrie Windkraft verloren gehen (3000 alleine bei Enercon) ist das für Sozialdemokraten irgendwie kein Thema.
Was mir hier fehlt, ist die Verhältnismäßigkeit!
Das im Übrigen nicht nur bezogen auf grüne Technologien sondern auch bei Klientels, die eigentlich SPD-Klientel per se sein sollte. Ein Klassiker wäre die Schlecker-Pleite - da wurden 25.000 Arbeitsplätze vernichtet, und die SPD hat dies nicht wirklich gejuckt. Aber bei ca. 8000 Arbeitsplätzen in der Braunkohle schrillen die Alarmglocken.....
Sorry, aber als nicht in der Braunkohle Beschäftigter fühle ich mich da von der Sozialdemokratie schlicht und einfach verraten und verkauft - Braunkohle-Klientelpolitik ist genau dieses, und Zukunftsweisend sind die Vorschläge der SPD in diesem Zusammenhang nicht.
Eine MODERNE Sozialdemokratie müsste nicht den Verlust von Arbeitsplätzen bewerten, sondern vielmehr sich darauf stürzen, den permanenten und derzeit eigentlich gut planbaren Wandel in der Arbeitswelt zu gestalten! Beispielsweise mit Instrumenten der Weiterbildung u.v.m.....
Die SPD sehe ich da leider nicht. Sie ist für mich da Profillos - oder verteidigt sogar rückwärtsgewandt veraltete Technologien in Branchen, die scheinbar nahe der SPD stehen. Ob diese Branchen zukunftsfähig sind, spielt keine Rolle für die SPD - und die SPD wendet sich auch bedauernswerterweise den wichtigen Zukunftsbranchen nicht wirklich zu.
8000 Arbeitsplätze in der Braunkohle sind bezogen auf die bundespolitische Bedeutung eigentlich relativ wenig relevant. Trotzdem setzt sich die SPD lieber für den unnötigen Erhalt veralteter Braunkohletechnologie ein, anstatt es zu fördern, dass diese 8000 Arbeitsplätze in Richtung Zukunftstechnologien - also beispielsweise der Windkraft - verlagert werden.
So etwas ärgert mich extrem!
Zu deinen anderen Punkten verweise ich mal bei den Grünen auf deren schon recht altes Grundsatzprogramm von 2002. Das neue wird derzeit gerade erarbeitet - ist aber halt auch noch nicht fertig. Schau dir da mal an, was 2002 bei den Grünen im Grundsatzprogramm so alles stand - unabhängig davon, was jetzt konkret heute noch aktuell ist - nach deinen Definitionen würde ich schließen, dass die Grünen mit dem Grundsatzprogramm von 2002 ein ziemlich Sozialdemokratischer Haufen waren.......
Grundsatzprogramm der Grünen 2002 - Sozialpolitik ab Seite 63
RE: Ehrliche Sozialdemokratie :)
in Parteien - kritisch betrachtet 09.12.2019 08:54von Meridian • | 2.940 Beiträge
Noch dazu kommt, dass in den 50er-Jahren alleine in Westdeutschland noch 600000 Kohlearbeiter gab. Jetzt sind es wenige 10000. Und um die wird ein großer Wust gemacht. Die Kohle war ja in beiden deutschen Staaten DAS Symbol des Wiederaufbaus nach dem 2. Weltkrieg. Und das steckt v.a. in der CDU und SPD noch tief drin, also ob man gegenüber der Kohle zu ewiger Dankbarkeit verpflichtet ist. Auch bei den Linken, v.a. im Bereich der altgedienten ehemaligen SED-Kader gibt es welche, die an der Kohle festhalten wollen, obwohl die Linke umweltpolitisch in starker Konkurrenz zu den Grünen steht. Aber als im Saarland nach leichten Erdbeben der Steinkohleabbau beschlossen wurde, hat ausgerechnet Lafontaines Linke dagegen gestimmt. Lafontaine ist ja kein ehemaliger SED-Kader, sondern ein es-SPDler.
Dass die Grünen das anders sehen, ist schon klar, aber sie wurden ja auch erst nach dem Wiederaufbau gegründet, so dass keine emotionale Bindung zur Kohle besteht. Doch auch sie haben begriffen, dass sie die Lausitz nach Schließung der Braunkohle nicht einfach sich selber überlassen können. "Sich selbst überlassen" käme dort gleich wie "der AfD zum Fraß werfen".
Die äußere Welt ist der Spiegel deines Inneren.
RE: Ehrliche Sozialdemokratie :)
in Parteien - kritisch betrachtet 09.12.2019 10:36von heiner • | 881 Beiträge
Die SPD ist immer & aus Prinzip eine ehrliche Sozialdemokratie, so ist ihr Credo. Die Zeit heilt nicht nur Wunden, sie prägt auch ihre Zeit. Wenn die SPD seit Beginn der "BRD", aus benachteiligten Familien, voll integrierte Familien gemacht hat, dann ist damit gemeint, dass ein anständiger Lohn zur Mindestausstattung gehört. Jeder Arbeitnehmer soll in den Stand versetzt werden, Wohneigentum zu erwerben, jeder soll "Vermögenswirksames Sparen" Problemlos & gefördert, verfügen können. Jeder soll nach Wunsch & eigenem Können, auf die beste denkbare Ausbildung zugreifen können. Seit 150 Jahren sind diese Anforderungen an die Sozialdemokratie gestellt, so wie es die Zeit & politischen Umstände zur Realisierung offerieren.
Der Bergmann ist für die SPD immer ein Symbol für harte Arbeit, die einen guten Lohn verdient, gewesen & das ist es heute noch, nur ist eben das Produkt das aus dieser Arbeit kommt, heute nicht mehr erwünscht, Alternativen können das besser. Damit ist aber der Sohn des "Steigers" nicht allein gelassen, er hat bei seiner Berufswahl eine Fülle von Alternativen. Hier nun ehrlich zu steuern, zu helfen wo sich der Weg in eine andere Richtung entwickelt hat, das ist "Sozialdemokratie" im allerbesten Sinn.
Wir wollen auf unnötige Abgase verzichten, wir sind auf die Schiene "Zukunft" gesetzt, das ist nun unumkehrbar, nach einer langen Zeit der Ignoranz. Hatten wir nicht schon anlässlich der Erdölkrise in den 1970er Jahren über "Wärmepumpen" & allerlei andere Möglichkeiten diskutiert, die Erdöl obsolet machen? Nun ist "Ende Gelände" Zukunft lässt sich nicht beliebig abschalten, wir haben sie schon viel zu lange ver-& behindert.
dass ein Traum nicht wahr ist, sehe ich ein, dass er wahr werden kann, auch.
RE: Ehrliche Sozialdemokratie :)
in Parteien - kritisch betrachtet 09.12.2019 10:44von Anthea • | 12.752 Beiträge
Und hier die Einschätzung von Uli Gellermann/RationalGalerie:
Aufbruch in die neue Zeit
Das Abbruch-Unternehmen SPD
Autor: U. Gellermann
Datum: 09. Dezember 2019
Ach so hoffnungsfroh hörten sich die Nachrichten vor dem SPD-Parteitag für all jene an, die sich noch an die alte Sozialdemokratie erinnern können. Denn Saskia Eskens, die Neue an der Spitze der SPD, sagt ganz offen: Die SPD habe dazu beigetragen, dass der Niedriglohnsektor entstehen konnte. Und: "Es ist Zeit, dass wir umkehren", forderte sie. "Wir waren die Partei, die Hartz IV eingeführt hat, wir sind die Partei, die Hartz IV überwindet". Sagt Frau Eskens in die Mikrophone. Vom WIE und WANN kein Wort. Und auch: "Ich will, dass jeder Mensch von seiner Hände Arbeit leben kann." Ehrlich? Endlich. Ein Bekenntnis ohne Verfallsdatum. Aber auch ohne Lieferzeitpunkt.
Liest man den SPD-Leitantrag zum Parteitag, findet man jede Menge Geschwurbel: "Alles in allem steht unser Land auch weiterhin gut und stark da. Dazu hat die SPD in den 10 zurückliegenden Jahren maßgeblich beigetragen – indem wir Investitionen gestärkt, den Mindestlohn eingeführt, die Renten stabilisiert oder für mehr Gerechtigkeit auf dem Arbeitsmarkt gesorgt haben." Da reibt man sich doch die Augen. Obdachlose auf den Straßen. Schlangen vor den Mülleimern, in denen Pfandflaschen zu erwarten sind. Immer noch ist der Kassenpatient ein Kranker zweiter Klasse. Immer noch ist das Pflegeheim eine schreckliche Drohung und keine Wohltat am Ende eines Lebens. Immer noch sehen viele deutsche Schulen aus, als gäbe es in diesem Land noch weniger Handwerker als Lehrer. Und wer das Geld hat, schickt seine Kinder lieber auf private Schulen. Jede Menge Studenten studieren auf Kredit, nicht jeder hat reiche Eltern. Im Nachbarland Frankreich reicht die Rente häufig für den Lebensabend, in Deutschland brauchen mehr als eine Million Rentner einen Job, um leben zu können.
Zwar ist der Leitantrag des SPD-Parteitags nicht blind, wenn er feststellt: "Trotz dem seit 2011 andauernden Aufschwung ist die Einkommens- und Vermögensungleichheit in Deutschland nach wie vor hoch. Obwohl sich langfristig gesehen die Arbeitsmarktlage verbessert hat, hat sich die ökonomische Ungleichheit verschärft." Aber statt die Reichen und Superreichen kräftig zu besteuern, fällt der SPD im Antrag nur dieses Gestammel ein: "Es ist höchste Zeit, den gesamtgesellschaftlichen Nutzen in den Fokus zu rücken, statt primär auf wirtschaftliche Interessen Einzelner zu schauen.“ - Man ist nicht blind, aber stumm, wenn es um soziale Gerechtigkeit geht.
Das Wort NATO sucht man im Leitantrag vergeblich. Fahndet man nach dem Wort "Rüstung“, stößt man auf diesen kryptischen Abschnitt: "Unsere historische Aufgabe ist es, eine friedliche und gerechte internationale Ordnung zu befördern, Europa als Kontinent des Friedens, der Abrüstung, Rüstungskontrolle und der Kooperation zu stärken". Immer wenn eine Aufgabe "historisch" benannt wird, ist sie lange her oder weit weg. Und je weiter weg desto Europa: Sollen doch die In Brüssel irgendwann mal was in Richtung Frieden machen, wir haben gerade keine Zeit, wir müssen Mandate retten.
Und wenn der SPD-Antrag "Europa" sagt, meint er natürlich die Europäische Union. Aber gerade an dieser geografischen Kurzsichtigkeit, an der Ausblendung Russlands, Weißrusslands, der Ukraine und der Türkei zum Beispiel, leidet die deutsche Außenpolitik. Dass zur Zeit ein Sozialdemokrat Außenminister ist, ändert offenkundig nichts an der schwer erträglichen Vollmundigkeit, mit der "Europa" als reines West-Projekt begriffen wird. Doch selbst die Schweiz wird mit diesem kurzen EU-Prozess aus Europa entfernt. "Plagööri" nennen die Schweizer ein Großmaul. Und ertragen die deutsche Großkotzigkeit mit Fassung.
Die SPD titelt ihren Leitantrag "Aufbruch in die neue Zeit". Aber die neue Zeit der Saskia Eskens hört sich so an, wenn es um die GROKO geht: "Ich war und ich bin skeptisch, was die Zukunft dieser Großen Koalition angeht". Aber auch: Mit dem SPD-Leitantrag gebe es "eine realistische Chance auf eine Fortsetzung. Nicht mehr, aber auch nicht weniger". Mehr GROKO, weniger GROKO, Hauptsache GROKO. Einerseits, andererseits: das hält die SPD immer noch für ausgewogen. Und nicht für ungenau, unentschlossen oder schwammig. So geht Abbruch.
---
Ich bin der Wahrheit verpflichtet, wie ich sie jeden Tag erkenne, und nicht der Beständigkeit.
Mahatma Gandhi
RE: Ehrliche Sozialdemokratie :)
in Parteien - kritisch betrachtet 09.12.2019 10:57von heiner • | 881 Beiträge
Da fehlt aber Dein Eigenanteil am Kommentar, liebe Anthea. Etwas Individuelles hättest Du schon einbringen können. Einfach einen eher konservativ gewirkten Blogger zu plagiieren, das ist nicht genug.
Es ist doch so, ob die SPD nun eher rechts oder eher links tönt, das ist völlig einerlei, man zerreist sie in der Luft, denn Artikel die das nicht tun, schaffen es zur Veröffentlichung nicht.
dass ein Traum nicht wahr ist, sehe ich ein, dass er wahr werden kann, auch.
RE: Ehrliche Sozialdemokratie :)
in Parteien - kritisch betrachtet 09.12.2019 11:30von Anthea • | 12.752 Beiträge
Lieber Heiner,
Uli Gellermann rangiert nicht unter "irgendein Blogger" und ich zitiere resp. kopiere seit Jahren mit seiner Erlaubnis einige seiner Artikel. Da diese immer äußerst gut recherchiert sind und in den meisten Fällen auch eine Reihe von Hintergrundinformationen liefern, sind diese als eine gute zusätzliche Diskussionsgrundlage zu sehen. Im Übrigen dann auch "ergänzend" zu meinen eigenen Beiträgen zum selbst eröffneten SPD-Thema. ;-)
Somit muss ich einen Vorwurf von "nicht genug" dann doch von mir weisen. Lach*
---
Ich bin der Wahrheit verpflichtet, wie ich sie jeden Tag erkenne, und nicht der Beständigkeit.
Mahatma Gandhi
Bitte geben Sie einen Grund für die Verwarnung an
Der Grund erscheint unter dem Beitrag.Bei einer weiteren Verwarnung wird das Mitglied automatisch gesperrt.
Besucher
0 Mitglieder und 1 Gast sind Online Besucherzähler Heute waren 165 Gäste und 6 Mitglieder, gestern 186 Gäste und 6 Mitglieder online. |
Forum Statistiken
Das Forum hat 2292
Themen
und
51445
Beiträge.
Heute waren 6 Mitglieder Online: |