Zitat von Findus im Beitrag #140
(...)
Schau dir mal mit deiner lebensweltlichen Erfahrung an, wer bei dir vor Ort zur High-Society gehört. Die Zugehörigkeit hat etwas mit Geld und Besitz zu tun. Wie viele Fabrikarbeiter findest du wohl in den höheren Kreisen? Wie viele Anwälte, Ärzte und Architekten und wie viele Handwerksmeister?
Ich bin zwar nicht @fagus. Aber ich antworte dennoch.
Bestimmt gibt es mehr Wohlhabende unter den Selbstständigen als unter den Angestellten. Aber es dürfte auch viel mehr Gescheiterte geben. Und die werden in Deutschland wie Parias behandelt. Ein Gescheiterter gilt als Versager und hat es auch schwer, einen Job als Angestellter zu finden. Das vorherrschende Schubladendenken lautet, dass ein ehemals Selbstständiger sich nicht gerne unterordnen lässt. Und zwar völlig unabhängig davon, warum einer die Selbstständigkeit gewagt hat, selbst wenn es aus Verzweiflung geschah. Da ist die Denkweise in den USA wesentlich positiver trotz aller Kritik an diesem Land: Ein gescheiterter Selbstständiger ist dort einer, der es immerhin versucht hat.
Bei einer solch feindseligen Betrachtungsweise wundert mich eigentlich, dass es in DE überhaupt so viele Selbstständige gibt. Auch müssen Selbstständige sich viel mehr mit Behördenkram herumschlagen. Das dürfte schon einen erheblichen Anteil ihrer Arbeitszeit ausmachen.
Ich habe eine Bekannte, die ein Café eröffnet hat. Sie lernte die Bau-Richtlinien kennen. U.a. geht die Eingangstür des Cafés nach innen auf. Daher darf sie keine alkoholischen Getränke anbieten. Grund: Wenn ein Besoffener zur Tür torkelt, dann muss die Tür nach außen aufgehen, damit er nicht gegen die Tür knallt. Ein Umbau der Tür würde weitere 3000€ kosten. (Da in diesem Fall hinter der Tür 2 Treppenstufen nach unten führen, halte ich eine nach außen schwingende Tür eher für kontraproduktiv für torkelnde Besoffene, die dann die die Stufen regelrecht herabstürzen.)
Da durch diese 2 Treppenstufen es für Rollstuhlfahrer unmöglich ist, das Café zu betreten, gibt das eine automatische Meldung an den Behindertenverband. Dieser hat sich bislang nicht bei ihr gemeldet. Könnte aber jederzeit passieren. Die Cafébesitzerin ist nicht behinderten-feindlich, aber ein Umbau der Treppe zu einer Rampe würde nicht nur viel kosten, sondern auch die Draußen-Sitzgelegenheit beeinträchtigen. Der Platz vor dem Café ist knapp.
Und dann die Trinkgeld-Regelung: Angestellte des Cafés müssen keine Abgaben auf Trinkgeld leisten, die Besitzerin jedoch schon. Da sie aber auch an und an bedient, erwartet das Finanzamt natürlich eine Mindestmenge an Trinkgeld, das die Besitzerin erhält. Sie hat gesagt, dass sie mit den Angestellten eine Regelung gefunden hat, wie genau, ist Betriebsgeheimnis. Aber das Finanzamt scheint eh einen Generalverdacht gegen Selbstständige zu haben, leider nicht unberechtigt, denn es gibt genug schwarze Schafe.