#16

Gibt es einen Gott?

in Klassische Philosophie 19.04.2020 02:00
von Atue (gelöscht)
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Vielleicht ist die einfachste Antwort auch die, dass es keinen Gott gibt?

In der Menschheitsgeschichte waren Götter und schließlich der eine Gott regelmäßig die Antwort auf nicht verstandene Phänomene. Heute verstehen wir viel mehr - wenn auch längst nicht alles. Man kann jetzt suchen - und findet dann auch genügend Platz für Glauben, Mystik und mehr - allerdings wird es immer schwerer mit zunehmendem Wissen noch gängige Denkmodelle zu Gott ernst zu nehmen.

Einen Irrsinn finde ich beispielsweise die Idee, dass dieser Gott ein ganzes Universum mit mehr als einer Billion Galaxien erschafft, in denen jede einzelne Galaxie bis mehrere hundert Milliarden von Sternen oder Sonnensystemen hat. Und viele dieser Sonnensysteme haben Planeten - wahrscheinlich auch viele in der habitablen Zone.
Mit zunehmender Erkenntnis wird es auch immer wahrscheinlicher, dass es weiteres Leben im Weltall gibt oder gab oder geben wird.
Und dann ist dieser eine Gott da, der all dies geschaffen hat, und schaut zu einem ziemlich unbedeutenden Nebenarm einer zeimlich unbedeutenden Galaxie, nimmt sich dort eine ziemlich unbedeutende Sonne raus, nimmt einen Planeten von dort, und kümmert sich um den?
Und dann geht er hin und erschafft die gesamte Pflanzen und Tierwelt, und dann auch die Menschheit - aber dabei belässt er es nicht, sondern dann zieht er sich erst mal zurück und kümmert sich dann um ein kleines recht unbedeutendes Völkchen?????
Wir irre ist das denn?

Und dann sendet er seinen Sohn in Menschengestalt, und der predigt uns mal kräftig den Marsch dass wir gefälligst vernünftig zusammenleben sollen!
Ein paar hundert Jahre später beseelt derselbe Gott (wenn es nur einen gibt, kann es ja kein anderer sein) in einer anderen Gegend einen anderen Mann und lässt den eine etwas andere Interpretation verkünden....
Und dann gehen die Menschen im Namen ihres Gottes (also desselben) aufeinander los und schlagen sich die Köppe ein - Christen gegen Juden, Katholiken gegen Protestanten, Moslems gegen Christen, Sunniten gegen Schiiten.....und jeder betet nochmals davor und bringt dann mit wenig schlechtem Gewissen ein paar andersdenkende um....

Leute ganz ehrlich - wenn ich Gott wäre, und für diesen Auftritt mich dann auch noch verantwortlich zeichnen sollte.....ich würde mich auch nicht mehr hier blicken lassen!

Nein - unterm Strich muss sich Gott nicht rechtfertigen! Denn den Gott, wie wir ihn denken, gibt es so nicht. Der christliche Gott ist eine Erfindung als konsequente Weiterentwicklung des jüdischen Gottes, der jüdische Gott ging aus Gottesvorstellungen hervor, in denen es noch viele Götter gab, und diese vielen Götter standen als Erklärung für Phänomene, die man nicht verstanden hatte.

Diese Erklärung für das Christentum und in ähnlicher Form für alle anderen (mir bekannten) Religionen sind recht stimmig, und stehen auch nicht im Widerspruch zu dem, was wir alltäglich erleben. Erdbeben lassen sich erklären, genauso wie Pandämien und andere Katastrophen. Die Erklärungen der Naturwissenschaftler mögen manchem nicht das geben, was er oder sie braucht - aber sie erklären recht gut das, was wir erleben.

Wenn wir etwas in einem Weltbild wieder und wieder nicht erklären können, ein anderes Weltbild aber eine einfache und naheliegende Erklärung liefert - dann sollte man vorsichtig darüber nachdenken, ob nicht doch das andere Weltbild richtig sein könnte.

Es wird Zeit, den klassischen Gottglauben hinter sich zu lassen. Entweder gibt es keinen Gott, oder aber einen, den wir noch nicht mal im Ansatz verstanden haben. Bei ersterem muss sich Gott nicht rechtfertigen, bei letzterem müssten wir erst mal mehr verstehen, bevor wir über die Frage ernsthaft nachdenken können.

Wenn es einen Gott gibt, wird dieser Gott ganz anders sein als das, was wir heute von allen bekannten Religionen her kennen.



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#17

RE: Theodizee – oder muss Gott sich rechtfertigen?

in Klassische Philosophie 18.10.2020 13:03
von kuschelgorilla | 3.292 Beiträge

Ich frage mich gerade:

Sind die Annahmen zu Gott nicht etwa eine Erwartenshaltung von uns Menschen an diesen möglicher Weise vorhandenen Demiurg?
Ist auch die Annahme ein Trugschluß, dass der Demiurg Übel verhindern müsste? Ist es auch die Annahme ein Trugschluß, dass es durch und durch gute Menschen gibt, für die der Demiurg die Übel hinwegnimmt?


Meine Motivation ging heute morgen winkend und lächelnd an mir vorbei
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#18

RE: Theodizee – oder muss Gott sich rechtfertigen?

in Klassische Philosophie 18.10.2020 13:18
von Anthea | 12.783 Beiträge

"Trugschluss" KANN alles sein, was sich nicht beweisen lässt und nun einmal auf purer Annahme beruht!
Damit müssen ALLE leben, ob gläubig oder nicht...


Ich bin der Wahrheit verpflichtet, wie ich sie jeden Tag erkenne, und nicht der Beständigkeit.
Mahatma Gandhi


kuschelgorilla hat sich bedankt!
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#19

RE: Theodizee – oder muss Gott sich rechtfertigen?

in Klassische Philosophie 18.03.2021 12:56
von denker_1 | 1.621 Beiträge

Zitat von Anthea

Immanuel Kant hat grundsätzlich festgestellt, dass die Möglichkeiten und Handlungen Gottes zu erklären nicht eine Frage der vernunftmäßigen Überlegungen und Betrachtungen sein können. Und der „metaphysische Bereich“, in den dieser Fragen- und Unsicherheitskomplex passt, immer einer der Spekulationen sein wird. Hierzu auch Kants Werk: „Über das Misslingen aller philosophischen Versuche in der Theodizee“ aus dem Jahre 1791.



Vielleicht gibt er uns genau deshalb so widersprüchliche Anweisungen, weil er uns zum selber denken anregen will. Dann kann metaphysisch gemeint sein. Im Zen geben die Meditationsmeister bewusst widersprüchliche Fragen als so genannte Koans zum Denken. Es gibt keine Lösung für das gestellte Problem und so erkennt man im metaphysischen dass alles miteinander zusammenhängt.

In der Logik könnte Gott uns damit sagen wollen, dass wir die Dinge hinterfragen sollen, dass wir unsere Sichtweise der Dinge permanent hinterfagen sollen.


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#20

RE: Theodizee – oder muss Gott sich rechtfertigen?

in Klassische Philosophie 18.03.2021 13:19
von denker_1 | 1.621 Beiträge

Zitat von Kuschelgorilla

Sind die Annahmen zu Gott nicht etwa eine Erwartenshaltung von uns Menschen an diesen möglicher Weise vorhandenen Demiurg?



Könnte gut sein. Dann wäre dieser Demiurg ein abstraktes unbekanntes Wesen das einst den Urknall willentlich ausgelöst hat.

Zitat von Kuschelgorilla

Ist auch die Annahme ein Trugschluß, dass der Demiurg Übel verhindern müsste?



Vielleicht. Dann aber sind alle Religionen, die auf einen gütigen uns helfenden Gott vertrauen, sinnlos.

Zitat von Kuschelgorilla

Ist es auch die Annahme ein Trugschluß, dass es durch und durch gute Menschen gibt, für die der Demiurg die Übel hinwegnimmt?



Davon gehe ich aus.

Der Säugling denkt zunächst nur an seine Bedürfnisse. Nahrung und Zuwendung, ohne Rücksicht auf die geplagte Mutter.

Emphatie muss Mensch erst lernen.

Etwas ältere Kinder müssen erst lernen, zu teilen. Hab ich selber bei einer ehrenamtlichen Kinderbetreuung erlebt. Ungefähr 30 Kinder, wir, ich und 2 weitere Betreuer wollten die Kinder basteln lassen. Haben die Utensilien ausgeteilt und die Kinder haben sich um die Scheren gestritten obwohl genug Scheren da waren.

Bezüglich Erwachsener brauchen wir und unsere Welt nur anuschauen. Die Terroristen, Diktatoren, Räuber, Mörder, Diebe haben die Oberhand, die gütigen gehen unter.


kuschelgorilla findet das Top
kuschelgorilla hat sich bedankt!
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#21

RE: Theodizee – oder muss Gott sich rechtfertigen?

in Klassische Philosophie 23.04.2022 10:52
von Anthea | 12.783 Beiträge

Zitat von denker_1 im Beitrag #20
Emphatie muss Mensch erst lernen.


Bei meinem Lesegang durch die diversen Themen in diesem Forum stieß ich auf den Satz von denker_1. Da fragte ich mich, ob das tatsächlich so ist. Ich neige mehr dazu zu sagen, dass man sie hat oder nicht. Die Empathie.
Oder hat, um das Thema der Frage nach der Rechtfertigung Gottes zu bedienen, dieser sich fragwürdig gemacht, wenn er auf der einen Seite von der Gleichheit, sprich Wertigkeit aller Menschen spricht, auf der anderen Seite aber die Voraussetzungen nicht geschaffen hat? Also durch das Fehlen der Möglichkeit echter tiefer Empfindungen ein Hindernis geschaffen hat, ein guter, mitfühlender und achtsamer Mensch gegenüber seinen Mitmenschen zu sein?

Kann man Empathie lernen? Man wird lernen können, dass es einen guten Eindruck macht, wenn man sich um andere kümmert. Man wird spenden, für was auch immer, für wen auch immer in Notlagen. Zum Beispiel. Aber nachdem die Geldbörse wieder geschlossen ist, wird kein wirkliches Gefühl der Betroffenheit oder der empathischen Regungen übrig bleiben.

Im Bereich der Empathie im Sinne von "erkenne deinen Nächsten" gibt es unzählige Seminare, die den Teilnehmern vermitteln wollen, woraus sie beim anderen achten müssen, um als ein einfühlsamer Mensch wahrgenommen zu werden. Körpersprache, Mimik etc. Nach Absolvieren eines Seminars sind dann die Leute gefeit und fallen nicht mehr so schnell auf andere herein. Denn Ekpathie ist schließlich recht gesund für das eigene Wohlbefinden. Traue nur dir selbst...

Ich habe früher schon das Beispiel der Charité-Veranstaltungen angesprochen. Glamour-Events, wo die Menschen, fein gemacht in edlem Zwirn und Abendkleid Geld "spenden", möglichst öffentlich, damit die Umwelt mitbekommt, wie gut es ihnen doch geht. Und dass sie ein "offenes Herz" für andere haben. Tage später, wenn diejenigen vielleicht noch bei einer Tombola eine Kreuzfahrt gewonnen haben, wird der eigentliche Grund von finanzieller Hilfe vergessen oder verblasst sein.

Gott, wenn es ihn denn gibt, müsste sich für Unvollkommenheit rechtfertigen. Dadurch, dass er aus meiner Sicht nicht in jedem Menschen die Anlage zum emotionalem Denken installiert hat. Oder ist das doch - latent ruhend - in jedem Menschen vorhanden?

---


Ich bin der Wahrheit verpflichtet, wie ich sie jeden Tag erkenne, und nicht der Beständigkeit.
Mahatma Gandhi


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#22

RE: Theodizee – oder muss Gott sich rechtfertigen?

in Klassische Philosophie 24.04.2022 00:16
von Atue (gelöscht)
avatar

Zitat von Anthea im Beitrag #21
Gott, wenn es ihn denn gibt, müsste sich für Unvollkommenheit rechtfertigen. Dadurch, dass er aus meiner Sicht nicht in jedem Menschen die Anlage zum emotionalem Denken installiert hat. Oder ist das doch - latent ruhend - in jedem Menschen vorhanden?


Es ist sehr wahrscheinlich, dass es keinen Gott gibt.
WENN es einen Gott gibt - dann ist er/sie/es sehr wahrscheinlich ziemlich anders als all das, was heute übliche Gottesbilder so vermitteln wollen.
WENN Gott der Schöpfer der Welt ist, so wie sie ist - dann ist er/sie/es auch für diese Welt voll umfänglich zur Verantwortung zu ziehen - denn er/sie/es hätte die Möglichkeit gehabt, es anders zu machen. Dies zumindest aus menschlicher Sicht - aber mehr Erkenntnisfähigkeit hat uns der potentielle Gott ja auch nicht mitgegeben.

Natürlich kann man auf die Idee kommen, dass sich ein Gott nicht rechtfertigen muss....wie sollen auch seine Geschöpfe Forderungen an ihn stellen dürfen? Umgekehrt aber sind dann die Geschöpfe auch nicht zur Rechenschaft zu ziehen - das wären sie nur, wenn sie der Schöpfung gleichgestellt wären. Das sieht aber die Bibel und andere Gottesmodelle nicht vor.

Solange es aber eine klare Hierarchie gibt, stinkt der Fisch vom Kopf - das gilt nicht nur für Unternehmen und Organisationen, sondern auch für die Kirche, und auch für einen potentiellen Schöpfer.

Muss sich Gott rechtfertigen?

Allenfalls vor sich selbst, oder vor weiteren Göttern die ihm/ihr gleichgestellt wären. Vor seinen Geschöpfen wohl eher nicht. Sollte sich Gott rechtfertigen - wohl eher ja, wenn man davon ausgeht, dass Gott die Menschen als freie Geschöpfe erschaffen hat.



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#23

RE: Theodizee – oder muss Gott sich rechtfertigen?

in Klassische Philosophie 16.10.2023 17:48
von Anthea | 12.783 Beiträge

Ich habe vorhin einmal diesen Thread Revue passieren lassen. Und bin zu dem Ergebnis gekommen, dass alles, was geschrieben wurde, richtig und nachvollziehbar ist. Alles, nach dem Motto: Kann sein, kann nicht sein...

Was allerdings eigentlich ein Phänomen ist, dass so viele Menschen, Gottgläubige, unbeeindruckt von nicht zu leugnender Logik einer Beweisführung in Bezug auf die Nichtexistenz eines Gottes dennoch an ihn glauben.
Ist das Ignoranz, ist das Dummheit?

Was ist die Motivation? Angst vor dem Nichts, Angst vor der Sinnlosigkeit eigener vergänglicher Existenz. Angst vor der Hoffnungslosigkeit, wobei jeder Strohhalm (in dem Falle das nicht definitive Wissen) genau diese wichtige Hoffnung nährt?

---


Ich bin der Wahrheit verpflichtet, wie ich sie jeden Tag erkenne, und nicht der Beständigkeit.
Mahatma Gandhi


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