Vorurteile – oder die „Schubladen im Kopf“
in Klassische Philosophie 23.08.2018 14:08von Anthea •

Deren Inhalte sich bis zum Bauch und Herzen ausbreiten.
Kein Mensch ist wirklich vorurteilsfrei, auch wenn er sich noch so sehr bemüht und als „neutral“ betrachtet.
„Alle Vorurteile kommen aus den Eingeweiden“ schrieb Nietzsche. Das erklärt dann möglicherweise unser unangenehmes „Bauchgrummeln“, so einem jemand gegenüber steht, frisch gewaschen, ordentlich gekleidet und manierlich im Umgang. Dennoch sagt uns irgendetwas: Den/die mag ich nicht. Das kann ein Schutzmechanismus des Körpers sein, Abneigung, irgendetwas ist nicht stimmig, unbewusst…. Im Grunde genommen sind das solche Dinge, die das Überleben der Urmenschen gesichert haben. In dem Freund-Feind-Bild und erkennen.
Warum das so ist können wir mMn nicht wirklich schlüssig erklären. Ist hier der Charakter eines Menschen das ausschlaggebende Kriterium? Wie es Goethe empfand, denn er schrieb: „Die Vorurteile der Menschen beruhen auf dem jedesmaligen Charakter der Menschen. Daher sind sie mit dem Zustand innig vereinigt, ganz unüberwindlich, weder Evidenz, noch Verstand, noch Vernunft haben den mindesten Einfluss darauf“.
Hannah Arendt sagte auch: „Vorurteile sind Urteile, die aus längerer empirischer Erfahrung einer Kultur entstehen und quasi als schnelle Antworten - also ohne eigene Reflexion in der Sache - in die Alltagspraxis übernommen werden.
Vor-Urteile sind nicht grundsätzlich verkehrt. Wenn sie nicht ungeprüft zu Urteilen werden.
---
Um das Herz und den Verstand eines anderen Menschen zu verstehen, schaue nicht darauf, was er erreicht hat, sondern wonach er sich sehnt. (Khalil Gibran)

RE: Vorurteile – oder die „Schubladen im Kopf“
in Klassische Philosophie 23.08.2018 20:01von moorhuhn •

"Vor-Urteile sind nicht grundsätzlich verkehrt. Wenn sie nicht ungeprüft zu Urteilen werden. "
Ich nenne sie deshalb nicht (Vor) urteile, sondern erster Eindruck, gesundes Misstrauen, was Nietzsche die "Eingeweide" nennt. Mit diesem ersten Gefühl gehe ich in die Prüfung, die sich mitunter auch etwas länger hinziehen kann.
Alle(s) über einen Kamm zu scheren, Pauschalisierungen anwenden, das sind für mich echte Vorurteile.
Der frühe Vogel kann mich mal !

RE: Vorurteile – oder die „Schubladen im Kopf“
in Klassische Philosophie 23.08.2018 20:14von SirPorthos •

Das Denken und damit die Logik eines Menschen ist zum Teil angeboren und vererbt.
Den größten Teil macht jedoch die "Sozialisierung" aus, d.h. das Umfeld, in dem er aufgewachsen ist.
Und mit Nietzsche möchte ich nichts zun tun haben aus 2 Gründen:
1. Er starb als verrückter Mensch
2. Er behauptete, Gott sei tot und Gott sagt jetzt, Nietzsche ist tot. Letzteres ist ein Faktum.
Lieben Gruß aus dem alten Land !
Die Freiheit führt das Volk ! Eugène Delacroix

RE: Vorurteile – oder die „Schubladen im Kopf“
in Klassische Philosophie 23.08.2018 20:23von Anthea •

Diejenigen, die sich "Realisten" nennen und den Vorwurf von Voreingenommenheit weit von sich weisen, negieren, dass sie trotz aller Versuche diese nicht abschütteln können. Sie in sich tragen.
Denn Vorurteile werden schon bei der Erziehung installiert, der Sozialisation. Weil "Werte" der Eltern weiter gegeben werden. Und - erst einmal - übernommen. Diese später in Frage zu stellen bzw. zu prüfen, bringt dann neue Erkenntnisse. Wobei dann die Kognition wieder in Zukunft eine Rolle spielen wird. Und die Möglichkeit des Einzelnen, Dinge zu verarbeiten. Und zwar durch Prüfung. Und nicht nur die Möglichkeit, sondern auch die Bereitschaft.
Sonst bleibt es dabei, p.e. Frauen können nicht einparken, sind schlecht in Mathe und Blondinen sind blöd. .
Allerdings ist es aber auch so, dass sich viele Vorurteile bestätigen. Wobei dann Ausnahmen die Regel bestätigen.
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Um das Herz und den Verstand eines anderen Menschen zu verstehen, schaue nicht darauf, was er erreicht hat, sondern wonach er sich sehnt. (Khalil Gibran)

RE: Vorurteile – oder die „Schubladen im Kopf“
in Klassische Philosophie 23.08.2018 20:30von Anthea •

Zitat von SirPorthos im Beitrag #3
Das Denken und damit die Logik eines Menschen ist zum Teil angeboren und vererbt.
Den größten Teil macht jedoch die "Sozialisierung" aus, d.h. das Umfeld, in dem er aufgewachsen ist.
Und mit Nietzsche möchte ich nichts zun tun haben aus 2 Gründen:
1. Er starb als verrückter Mensch
2. Er behauptete, Gott sei tot und Gott sagt jetzt, Nietzsche ist tot. Letzteres ist ein Faktum.
Lieben Gruß aus dem alten Land !
Lieber SirPorthos, du lehnst "Verrücktsein" ab als Krankheit? Denn Nietzsche war krank.
Und einer derjenigen von dem man sagen kann, dass der Schritt vom Genie zum Wahnsinn nur ein geringer ist.
Und den Spruch mit dem "Gott ist tot" solltest du aber im Kontext lesen und verstehen.
Denn er hat gemeint, dass die Menschen ihn/Gott getötet haben.
Mal ganz vereinfacht - aber richtig erklärt! - gesagt!
PS: Warum reißt du eigentlich etwas aus dem Zusammenhang und äußerst dich nicht zum Haupttheme "Vorurteile"?
In den Zusammenhang weise ich noch einmal hier auf das großartige Buch "Und Nietzsche weinte" von Irvin D. Yalom hin.
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RE: Vorurteile – oder die „Schubladen im Kopf“
in Klassische Philosophie 23.08.2018 20:42von SirPorthos •

Moin Anthea,
in meinen drei Jahren in Berlin war im immer im Steigenberger Hotel am Kurfürstendamm.
Das ist ein 5-Sterne Hotel.
Da ich zu dumm war, meinen Mercedes im Parkhaus einzuparken, hat es die nette "Blondine",die gerade den Job als "Concierge" machte, getan.
Ohne anzuecken und in einer Geschwindigkeit, die mir die Atem verschlug.
Die konnte besser mit Fahrzeugen umgehen als ich und hatte eine räumliche Wahrnehmung, die meine um Längen überstieg.
Dennoch halte ich einen Irren wie NIetzsche für überbewertet.
Gruß aus dem alten Land !
Die Freiheit führt das Volk ! Eugène Delacroix

RE: Vorurteile – oder die „Schubladen im Kopf“
in Klassische Philosophie 23.08.2018 21:10von moorhuhn •

Man mag von Nietzsche halten, was man will, aber sein "Gott ist tot" und die darin enthaltene Position, dass der Mensch selbst für diesen Tod verantwortlich ist, ist Aufklärung pur und eine Absage an die Scheinheiligkeit des Menschen, der sich auf Gott beruft und dennoch niederen Instinkten folgt!
Heuchelei, Unmenschlichkeit, Neid und Egoismus, Macht und Willkür, die sich durch die Geschichte der Menschheit ziehen und sie geprägt haben, sind mitnichten göttlich.
Mag sein, dass die kokainlienige Lebensführung dem Nietzsche den Rest gegeben hat, aber seine "Verrücktheit" war im Grunde eine tiefe Depression, die daraus entstanden ist, dass ihm der Glauben an das Menschsein abhanden gekommen ist. Zu seinen Lebzeiten gab es da genügend Anlässe, die dies forcierten.
Jemanden als der "Irre" abzustempeln, zeugt wiederrum von Vorurteilen, die sich ungeprüft in Urteile verwandelt haben.
Der frühe Vogel kann mich mal !

RE: Vorurteile – oder die „Schubladen im Kopf“
in Klassische Philosophie 23.08.2018 22:05von Anthea •

Ich habe vorhin einen tollen Satz gehört.
Hintergrund: Es ging um Vorurteile gegen Ausländer. Menschen trafen sich und unterhielten sich über die Situation im Lande. Ein Iraker, der aus seiner Heimat geflüchtet war, kam hinzu. Misstrauen - Aushorchen...Den Menschen kennen lernen.
Und zum Schluss dann der Satz des Kommentators: Aus Vorurteilen wurde Respekt.
Schön.
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Um das Herz und den Verstand eines anderen Menschen zu verstehen, schaue nicht darauf, was er erreicht hat, sondern wonach er sich sehnt. (Khalil Gibran)

RE: Vorurteile – oder die „Schubladen im Kopf“
in Klassische Philosophie 23.08.2018 22:21von SirPorthos •

Zitat von moorhuhn im Beitrag #7
Man mag von Nietzsche halten, was man will, aber sein "Gott ist tot" und die darin enthaltene Position, dass der Mensch selbst für diesen Tod verantwortlich ist, ist Aufklärung pur und eine Absage an die Scheinheiligkeit des Menschen, der sich auf Gott beruft und dennoch niederen Instinkten folgt!
Heuchelei, Unmenschlichkeit, Neid und Egoismus, Macht und Willkür, die sich durch die Geschichte der Menschheit ziehen und sie geprägt haben, sind mitnichten göttlich.
Mag sein, dass die kokainlienige Lebensführung dem Nietzsche den Rest gegeben hat, aber seine "Verrücktheit" war im Grunde eine tiefe Depression, die daraus entstanden ist, dass ihm der Glauben an das Menschsein abhanden gekommen ist. Zu seinen Lebzeiten gab es da genügend Anlässe, die dies forcierten.
Jemanden als der "Irre" abzustempeln, zeugt wiederrum von Vorurteilen, die sich ungeprüft in Urteile verwandelt haben.
Moin Moorhuhn,
Nietzsche hat jegliche Relgion verneint und damit Menschen diffamiert.
Er selber war drogenabhängig. Das war seine Religion.
Er mag klug gewesen sein, aber er hat versagt.
Er war trotz seiner Intelligenz eine verkrachte Existenz.
Sollten wir uns so eine Person zum Vorbild nehmen ?
Gruß aus dem alten Land !
Die Freiheit führt das Volk ! Eugène Delacroix

RE: Vorurteile – oder die „Schubladen im Kopf“
in Klassische Philosophie 23.08.2018 22:30von moorhuhn •

Anthea, die Vorurteile gegen Ausländer sind momentan ein Kanal, der andere Vorurteile etwas verblassen lässt. Unter dem Motto, die Pflege von Missgunst, Frust und Neid braucht mindestens einen Buhmann.
Bevor die Ausländer "fachkundig" analysiert und abgewertet wurden, waren es die Tätowierten, die Nichtsesshaften oder überhaut alle deutschen Zeitgenossen, die sich in irgendeiner Form gegen den Mainstreem stellten.
Ich habe viele solcher Querdenker kennengelernt, wohne und arbeite in einer Gegend von Leipzig, die regelmäßig den "Polizeiticker" auf Trab hält, dennoch hat mir noch nie jemand was getan und ich lebe nach der Maxime: "Wie es in den Wald..." Meistens lerne ich aus diesen Begnungen auch viel Neues.
Der frühe Vogel kann mich mal !

RE: Vorurteile – oder die „Schubladen im Kopf“
in Klassische Philosophie 23.08.2018 22:54von moorhuhn •

Nein, Sir Porthos, "man" muss gar nichts, außer jeden Menschen mit Respekt und Toleranz behandeln. Soweit ich mich erinnere, predigst du das hier doch auch oft.
Alle Thesen, die du über Nietzsche zusammengetragen hast, benötigen der Ursachenforschung bzw. sind teilweise deine ganz persönliche Meinung, die über Vorurteile nicht hinausgeht.
"Versager, verkrachte Existenz", genau das sind Stigmata, die zu Depris und anderen Selbstzweifeln führen und Drogenkonsum Vorschub leisten.
Damals wusste man das noch nicht, zum Glück ist die moderne Psychologie da schon einen Schritt weiter.
Und noch mal, der Nihilismus Nietzsches ist im historischen Kontext zu bewerten, der schäbige Untergang des Kaiserreiches, die bornierte Restaurationszeit davor, das kann einen Philosophen schon mal kritisch beschäftigen.
Und noch was, ich verneine auch die Religion, nicht weil ich den Grundgedanken jeglicher Religion ablehne, sondern weil mir die Scheinheiligkeit missfällt, mit der der Mensch religiöse Grundwerte mit Füßen tritt. Und das hat Nietzsche im philosophischen Sinne auch gedacht.
Der frühe Vogel kann mich mal !

RE: Vorurteile – oder die „Schubladen im Kopf“
in Klassische Philosophie 24.08.2018 08:30von Anthea •

Vorurteile gegenüber Nietzsche?
Für mich grandios und immer wieder beim Lesen der Zeilen ein Gänsehautfeeling:
O Mensch! Gib acht!
Was spricht die tiefe Mitternacht?
"Ich schlief, ich schlief -,
Aus tiefem Traum bin ich erwacht: -
Die Welt ist tief,
Und tiefer als der Tag gedacht.
Tief ist ihr Weh -,
Lust - tiefer noch als Herzeleid:
Weh spricht: Vergeh!
Doch alle Lust will Ewigkeit -,
- will tiefe, tiefe Ewigkeit!"
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