#1

Scio me nihil scire

in Klassische Philosophie 05.01.2018 09:47
von Anthea | 12.712 Beiträge

Ich weiß, dass ich nichts weiß.

Das ergänzende „-s“ an „nicht“ ist ein Übersetzungsfehler, da die Phrase „Ich weiß, dass ich nichts weiß“ auf Altgriechisch οἶδα οὐδὲν εἰδώς (oîda oudén eidōs) heißen würde. Mit seiner Aussage behauptet Sokrates also nicht, dass er nichts wisse. Vielmehr hinterfragt er das, was man zu wissen meint.

Eingebundensein in einen „Superorganismus“. So nannte Richard Dawkins das Vorhandensein von Glauben oder Nichtglauben und ordnete dessen Intensität prozentual ein.

<<a)stark theistisch, Gotteswahrscheinlichkeit 100 %, oder nach C.G.Jung:
"Ich glaube nicht , ich weiß"

b)Sehr hohe Wahrscheinlichkeit knapp unter 100 %.De facto theistisch. "Ich kann es nicht sicher wissen, aber ich glaube fest an Gott und führe mein Leben unter der Annahme, dass es ihn gibt."

c)Höher als 50 %, aber nicht besonders hoch. Fachsprachlich : agnostisch, mit Neigung zum Theismus. "Ich bin unsicher, aber ich neige dazu an Gott zu glauben."

d)50 %. Völlig unparteiischer Agnostizismus."Gottes Existenz und Nichtexistenz sind gleich wahrscheinlich".

e)Unter 50 %, aber nicht sehr niedrig. Fachsprachlich: agnostisch mit Neigung zum Atheismus."Ich weiß nicht ob Gott existiert, aber ich bin eher skeptisch."

f)Sehr geringe Wahrscheinlichkeit, knapp über 0. De facto atheistisch. "Ich kann es nicht sicher wissen, aber ich halte es für unwahrscheinlich, dass Gott existiert, und führe mein Leben unter der Annahme, dass es ihn nicht gibt."

g)Stark atheistisch."Ich weiß, dass es keinen Gott gibt, und bin ebenso davon überzeugt, (wie Jung weiß) dass es ihn gibt.<<

a) und g) lehne ich ab. Dieses „Wissen“ ist in meinen Augen keines und einfach nur borniert. Denn schließlich ist bis dato kein Mensch zur Dokumentation und Verifizierung jemals von „hinter dem Vorhang“ zurück gekommen.
Ich nenne den Agnostizismus - den Glauben des Zweifelns zwischen Theismus und Atheismus - die „ehrlichste Religion“ überhaupt.

Albert Einstein schrieb: „Ich versuche nicht, mir einen persönlichen Gott vorzustellen. Es reicht aus, wenn man voller Staunen vor dem Aufbau der Welt steht, soweit sie unseren unzureichenden Sinnen gestattet, sie einzuschätzen.“

---


Ist das, was das Herz glaubt, nicht genau so wahr wie das, was das Auge sieht? Khalil Gibran
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#2

RE: Scio me nihil scire

in Klassische Philosophie 05.01.2018 10:36
von Findus (gelöscht)
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Welchen Wert hätte Glaube, wenn er eine reine Frage von mathematischen Wahrscheinlichkeiten wäre?
Da wir nicht wissen, bleibt nur der Sprung in den Glauben oder der Sprung in den Skeptizismus.


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#3

RE: Scio me nihil scire

in Klassische Philosophie 05.01.2018 10:45
von Anthea | 12.712 Beiträge

Zitat von Findus im Beitrag #2
Welchen Wert hätte Glaube, wenn er eine reine Frage von mathematischen Wahrscheinlichkeiten wäre?
Da wir nicht wissen, bleibt nur der Sprung in den Glauben oder der Sprung in den Skeptizismus.



„Es gibt mehr Ding im Himmel und auf Erden, als eure Schulweisheit sich träumt.“ So sprach Horatio

Und das war auch ein Spruch, den meine Mutter oft gebrauchte. Wenn ich Fragen stellte, die nicht zu beantworten waren. Wie z.B. nach der Unendlichkeit, wenn ich in den Himmel schaute. Wohin geht's da, was ist am Ende des Regenbogens...
Wenn man von einem "Mut zur Wahrheit" spricht, dann sollte man dies auch tun mit "Mut zum Zweifeln".

---


Ist das, was das Herz glaubt, nicht genau so wahr wie das, was das Auge sieht? Khalil Gibran
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#4

RE: Scio me nihil scire

in Klassische Philosophie 05.01.2018 10:54
von Findus (gelöscht)
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Auch Zweifel ist kein Wissen. Und woran sollte sich der festhalten, der nur zweifelt?
Du bist es doch immer, der vom richtigem Maß spricht. Vielleicht sogar frei nach Plato?


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#5

RE: Scio me nihil scire

in Klassische Philosophie 05.01.2018 12:44
von Anthea | 12.712 Beiträge

Zitat von Findus im Beitrag #4
Auch Zweifel ist kein Wissen. Und woran sollte sich der festhalten, der nur zweifelt?
Du bist es doch immer, der vom richtigem Maß spricht. Vielleicht sogar frei nach Plato?


Ach, lieber Findus, mir kommt zuweilen bei unseren Gesprächen das Lied in den Sinn: Sie konnten zusammen nicht kommen...lach* Denn irgendwie verstehst du mich nicht so richtig - oder ich drücke mich unklar aus

Wo behauptete ich denn, dass Zweifel "Wissen sei"? Siehe dazu den Titel des Threads. Ich kann dir also zweifelsfrei sagen, dass zweifelsohne ich dieser Headline zustimme. Allerdings ohne das "s", was dem Urspruch immer fälschlicherweise angehängt wird. Also, ich weiß es nicht! Das ewige Theodizee-Problem. Kann sein, kann nicht sein.
Und ich denke, dass genau dies das richtige Maß ist. Denn Glauben ist nun einmal nicht Wissen.
Und die Wissenschaft mit all ihren Erkenntnissen, ihrer "Schlauheit" und zuweilen auch ihrer "ad definitum"-Behauptungen finaler Weisheit muss sich immer wieder eigenen Irrtums zichtigen. Weil neue Erkenntnisse hinzukommen.
Das Ende der Fahnenstange wird auch bei dieser "grauen Theorie" niemals erreicht werden.
"Des Lebens grüner Baum" wächst weiter. Anleihe bei Faust.

Im Übrigen lebt die Wissenschaft mit dem Glauben immer schon in einer besonderen Symbiose. Was Fragen aufwirft und von einer Sicht her betrachtet beantwortet. Um sich dann von anderer Seite wiederum widerlegen zu lassen.

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Ist das, was das Herz glaubt, nicht genau so wahr wie das, was das Auge sieht? Khalil Gibran


zuletzt bearbeitet 05.01.2018 12:51 | nach oben springen

#6

RE: Scio me nihil scire

in Klassische Philosophie 05.01.2018 13:41
von Findus (gelöscht)
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Liebe Anthea, wir denken einfach in anderen Bahnen. Aber ist das eben nicht das in einer Diskussion spannende?
Das Zweifel kein Wissen ist, ist für mich einfach nur ein ergänzender Aspekt zum Thema. Selbstverständlich ist Zweifel wichtig, um sich der Erkenntnis anzunähren. Aber niemand kann nur zweifeln.
Erkenntnis ist letztlich weder beim glauben noch beim Zweifeln möglich. Das wirkliche Wissen wäre damit so etwas wie das "göttliche (Prinzip)".

Zitat von Anthea im Beitrag #5
Im Übrigen lebt die Wissenschaft mit dem Glauben immer schon in einer besonderen Symbiose. Was Fragen aufwirft und von einer Sicht her betrachtet beantwortet. Um sich dann von anderer Seite wiederum widerlegen zu lassen.


Die Weltformel, die alles erklärt, hat noch niemand gefunden.
Worin genau siehst du die Verbindung von Wissenschaft und Glauben?


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#7

RE: Scio me nihil scire

in Klassische Philosophie 05.01.2018 13:47
von SirPorthos | 3.127 Beiträge

Moin,

sehr guter Beitrag.

Ich schätze mich auf c) ein, solange mir kein Pfaffe über den Weg läuft. Dann tendiere ich auf unterirdische f)-g).

Gruß aus Hamburg !


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#8

RE: Scio me nihil scire

in Klassische Philosophie 05.01.2018 14:34
von Anthea | 12.712 Beiträge

Zitat von Findus im Beitrag #6
Die Weltformel, die alles erklärt, hat noch niemand gefunden.
Worin genau siehst du die Verbindung von Wissenschaft und Glauben?


Ich liebe "meinen" Faust und antworte mal mit diesem: "[...] und sehe, dass wir nicht(s) wissen können, das will mir schier das Herz verbrennen".

Da, wo die Wissenschaft versagt, da versetzt der Glaube Berge. "Das Wunder ist des Glaubens liebstes Kind".
Es gibt so viele Wissenschaftler, die gläubige Christen sind. Obwohl ihre Forschungsergebnisse doch eigentlich die Bibel ind den Bereich "Märchenbuch" verbannen müsste.

Was die Wissenschaft anbelangt, da gibt es im Laufe der Jahrtausende so viele Behauptungen und Irrtümer. Ist die Erde nun eine Scheibe oder doch rund? Ist sie der Mittelpunkt im All? Ist sie vielleicht doch ein Eierkuchen? Wer weiß. Oder macht es vielleich doch Sinn, was die alten Ägypter meinten, dass die Erde aus drei Ebenen besteht. In der Unterwelt leben die Verstorbenen, in der Mitte die Lebenden und oben die Götter?



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Ist das, was das Herz glaubt, nicht genau so wahr wie das, was das Auge sieht? Khalil Gibran


zuletzt bearbeitet 05.01.2018 14:36 | nach oben springen

#9

RE: Scio me nihil scire

in Klassische Philosophie 05.01.2018 14:52
von Anthea | 12.712 Beiträge

Zitat von Findus im Beitrag #6
Liebe Anthea, wir denken einfach in anderen Bahnen. Aber ist das eben nicht das in einer Diskussion spannende?


Das sehe ich genau so. Das wäre doch langweilig, wenn Diskutanten immer einer Meinung wären. Friede, Freude, Eierkuchen!
Ich habe mich immer amüsiert, wenn jemand auf den Beitrag eines anderen schrieb: Besser könnte ich es auch nicht sagen. ;-)

---


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#10

RE: Scio me nihil scire

in Klassische Philosophie 05.01.2018 16:30
von Till (gelöscht)
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Zitat von Anthea im Beitrag #5
Im Übrigen lebt die Wissenschaft mit dem Glauben immer schon in einer besonderen Symbiose. Was Fragen aufwirft und von einer Sicht her betrachtet beantwortet. Um sich dann von anderer Seite wiederum widerlegen zu lassen.
Im Grunde ist (Natur-)Wissenschaft nicht weit entfernt von Glauben. Man macht Beobachtungen und beschreibt diese durch ein (mathematisches) Modell. Man glaubt an dieses Modell so lange, bis eine neue Beobachtung diesem Modell widerspricht; dann sucht man sich ein neues.
Heute beschäftigen sich Kosmologen mit Theorien, von denen sie wissen, dass sie sich nach menschlichem Ermessen weder beweisen noch widerlegen lassen werden. Das ist auch eine Form von Glauben, allerdings auf sehr mathematischem Fundament. Einen Beweis für die Existenz oder Nichtexistenz Gottes hat man damit allerdings immer noch nicht.


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#11

RE: Scio me nihil scire

in Klassische Philosophie 05.01.2018 18:57
von sagittarius (gelöscht)
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Zitat von Anthea im Beitrag #1
Ich weiß, dass ich nichts weiß.

Das ergänzende „-s“ an „nicht“ ist ein Übersetzungsfehler, da die Phrase „Ich weiß, dass ich nichts weiß“ auf Altgriechisch οἶδα οὐδὲν εἰδώς (oîda oudén eidōs) heißen würde. Mit seiner Aussage behauptet Sokrates also nicht, dass er nichts wisse. Vielmehr hinterfragt er das, was man zu wissen meint.

Eingebundensein in einen „Superorganismus“. So nannte Richard Dawkins das Vorhandensein von Glauben oder Nichtglauben und ordnete dessen Intensität prozentual ein.

<<a)stark theistisch, Gotteswahrscheinlichkeit 100 %, oder nach C.G.Jung:
"Ich glaube nicht , ich weiß"

b)Sehr hohe Wahrscheinlichkeit knapp unter 100 %.De facto theistisch. "Ich kann es nicht sicher wissen, aber ich glaube fest an Gott und führe mein Leben unter der Annahme, dass es ihn gibt."

c)Höher als 50 %, aber nicht besonders hoch. Fachsprachlich : agnostisch, mit Neigung zum Theismus. "Ich bin unsicher, aber ich neige dazu an Gott zu glauben."

d)50 %. Völlig unparteiischer Agnostizismus."Gottes Existenz und Nichtexistenz sind gleich wahrscheinlich".

e)Unter 50 %, aber nicht sehr niedrig. Fachsprachlich: agnostisch mit Neigung zum Atheismus."Ich weiß nicht ob Gott existiert, aber ich bin eher skeptisch."

f)Sehr geringe Wahrscheinlichkeit, knapp über 0. De facto atheistisch. "Ich kann es nicht sicher wissen, aber ich halte es für unwahrscheinlich, dass Gott existiert, und führe mein Leben unter der Annahme, dass es ihn nicht gibt."

g)Stark atheistisch."Ich weiß, dass es keinen Gott gibt, und bin ebenso davon überzeugt, (wie Jung weiß) dass es ihn gibt.<<

a) und g) lehne ich ab. Dieses „Wissen“ ist in meinen Augen keines und einfach nur borniert. Denn schließlich ist bis dato kein Mensch zur Dokumentation und Verifizierung jemals von „hinter dem Vorhang“ zurück gekommen.
Ich nenne den Agnostizismus - den Glauben des Zweifelns zwischen Theismus und Atheismus - die „ehrlichste Religion“ überhaupt.

Albert Einstein schrieb: „Ich versuche nicht, mir einen persönlichen Gott vorzustellen. Es reicht aus, wenn man voller Staunen vor dem Aufbau der Welt steht, soweit sie unseren unzureichenden Sinnen gestattet, sie einzuschätzen.“

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Natürlich gibt es Götter,daran kann kein Zweifel bestehen.In der Geschichte der Menschheit wurden ständig neue geschaffen und alte der Vergessenheit überlassen.Ob letztere nun gestorben sind oder nur unbeachtet ein tristes Dasein führen wissen wir nicht.Mit dem Glauben an einen oder mehrere Götter beginnen diese ihre Existenz und beenden sie für gewöhnlich mit dem nicht mehr an sie glauben.


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#12

RE: Scio me nihil scire

in Klassische Philosophie 06.01.2018 15:01
von Findus (gelöscht)
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Zitat von Till im Beitrag #10
Zitat von Anthea im Beitrag #5
Im Übrigen lebt die Wissenschaft mit dem Glauben immer schon in einer besonderen Symbiose. Was Fragen aufwirft und von einer Sicht her betrachtet beantwortet. Um sich dann von anderer Seite wiederum widerlegen zu lassen.
Im Grunde ist (Natur-)Wissenschaft nicht weit entfernt von Glauben. Man macht Beobachtungen und beschreibt diese durch ein (mathematisches) Modell. Man glaubt an dieses Modell so lange, bis eine neue Beobachtung diesem Modell widerspricht; dann sucht man sich ein neues.


Das spannende ist doch, dass Wissenschaft nur eine Annährung an die Objektivität ist. Die Verifizierung einer Beobachtung ist ein Indiz für ihre Gültigkeit, aber dennoch kein Beweis. Intersubjektivität ist das Zauberwort der Wissenschaften.


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