#196

RE: Existenzminimum im Steuerrecht und im Sozialrecht

in Ökonomie 04.07.2020 23:49
von Atue (gelöscht)
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Zitat von Findus im Beitrag #194
Ein bGE würde hingegen über Steuermittel finanziert. Wenn man bedenkt, welch Milliarden größes Loch im Bundeshaushalt in wenigen Wochen entstanden ist, besteht durchaus die Gefahr, dass man an einem bGE zu Gunsten z.B. von Wirtschaftshilfen kürzen würde. Steuerfinanzierung führt in schlechten Zeiten zu Leistungskürzungen.


Ein bGE muss nicht per se über Steuermittel finanziert werden - eine Finanzierung über Abgaben ist auch denkbar. Doch selbst wenn - eine Kürzung des bGEs würde alle Bürger betreffen und ihre Konsumfähigkeit beeinträchtigen. Und: Sofern das bGE vor allem das Existenzminimum adressiert, würde es ein recht enges rechtliche Korsett geben, welches bei Unterschreitung auch durch die Verfassung und entsprechende Gerichtsurteile kassiert würde.

Die Gefahr sehe ich insofern zwar auch, schätze sie aber als nicht sonderlich hoch ein.



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#197

RE: Existenzminimum im Steuerrecht und im Sozialrecht

in Ökonomie 05.07.2020 08:46
von Findus | 2.717 Beiträge

Ein wesentlicher Kern der Kritik am bGE ist die Frage, wie es finanziert wird. Ein ernsthaftes Argument setzt also zuerst einmal eine Antwort auf diese Frage voraus, zumal in einer Krise mit Rückgang der Wirtschaftskraft.
Wenn die Finanzierung geklärt ist, kann man über Konsumfähigkeit usw. reden.

Meridians Frage nach der Vision finde ich richtig. Doch man muss auch überlegen, wie man eine Vision in reale Politik umsetzen kann.
400,- € bGE wären mir nicht mal ein Augenrollen wert. Mit einem Hartz IV - ähnlichen Satz könnte man kaum den Alltag bestreiten. Wenn die Vision heißt "Das bGE soll ein Leben mit Teilhabe und Freiheit ermöglichen", müsste das bGE doch deutlich höher ausfallen als die Grundsicherung.



zuletzt bearbeitet 05.07.2020 08:49 | nach oben springen

#198

RE: Existenzminimum im Steuerrecht und im Sozialrecht

in Ökonomie 05.07.2020 08:51
von kuschelgorilla | 3.292 Beiträge

Wenn man wissen will, mit welchen Mechanismen und Werkzeugen man das bGE finanzieren will, muss man sich erst mal über die zu erwartende Zukunft unserer Gesellschaft Gedanken machen. Dann werden wir wissen, wo möglicher Weise Chancen und Optionen liegen. Einfach ins Blaue hinein in wildem Aktionismus zu handeln würde es nicht besser machen.
Also wo stehen wir?
Wo wollen wir hin?
Wohin gehen die Entwicklungen?


Meine Motivation ging heute morgen winkend und lächelnd an mir vorbei
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#199

RE: Existenzminimum im Steuerrecht und im Sozialrecht

in Ökonomie 05.07.2020 09:13
von Findus | 2.717 Beiträge

Darf ich ergänzen? Wie wirtschaften wir?


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#200

RE: Existenzminimum im Steuerrecht und im Sozialrecht

in Ökonomie 05.07.2020 09:18
von kuschelgorilla | 3.292 Beiträge

Natürlich darfst du ergänzen... Was ne Frage.
Das ist, glaube ich, im Moment das Gebot der Stunde.
Wir merken gerade, dass das System mit dem wir leben so nicht mehr funktioniert. Die Finger müssen auf die wunden Punkte - JETZT! Und wir müssen uns über unsere Zukunft Gedanken machen. Da sind alle Fragen willkommen. Alle Ideen können eingebracht werden.


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#201

RE: Existenzminimum im Steuerrecht und im Sozialrecht

in Ökonomie 24.07.2020 11:44
von Meridian | 2.926 Beiträge

Leider nur in einer Sammelnews in der BILD gefunden, daher mit etwas Vorsicht zu betrachten: UN-Programm schlägt Grundeinkommen für die Ärmsten vor.

https://www.bild.de/news/inland/news-inl...11946.bild.html

Da dieser Artikel inzwischen weit nach "unten" gerutscht ist, zitiere ich ihn:

Zitat
UN-Programm schlägt Grundeinkommen für die Ärmsten vor

Die UNO hat ein vorübergehendes Grundeinkommen für die 2,7 Milliarden ärmsten Menschen der Welt in der Coronavirus-Krise vorgeschlagen. Angesichts steigender Infektionszahlen in den Entwicklungsländern müssten dringend Schutzmaßnahmen für besonders gefährdete Bevölkerungsgruppen ergriffen werden, erklärte das UN-Entwicklungsprogramm (UNDP) am Mittwoch.

Ein vorübergehendes Grundeinkommen könne den Ärmsten der Armen dabei helfen, „Essen zu kaufen und Gesundheits- und Bildungsausgaben zu zahlen“, hieß es weiter. Es würde den Angaben zufolge monatlich 199 Milliarden Dollar (172 Milliarden Euro) kosten.

„Beispiellose Zeiten erfordern beispiellose soziale und wirtschaftliche Maßnahmen“, erklärte UNDP-Leiter Achim Steiner. „Rettungs- und Wiederaufbaupläne dürfen sich nicht nur auf große Märkte und große Unternehmen konzentrieren. Ein vorübergehendes Grundeinkommen könnte es Regierungen ermöglichen, Menschen im Lockdown eine finanzielle Rettungsleine zu geben.“

Nach Schätzungen der UNO könnten in 30 einkommensschwachen Ländern fast 1,7 Millionen Menschen an den Folgen einer Coronavirus-Infektion sterben. Durch die von der Pandemie ausgelöste Wirtschaftskrise haben zudem viele Millionen Menschen ihren Job und ihre Lebensgrundlage verloren.



Immerhin der erste Vorschlag eines globalem Grundeinkommens, und das auch noch aus der UNO heraus. Das ist bemerkenswert, auch wenn es nur an die ärmsten (nicht an alle) gezahlt würde, aber an immerhin 2,7 Mrd Menschen, und auch wenn diese Maßnahmen Corona-bedingt nur vorübergehend sein soll.


Die äußere Welt ist der Spiegel deines Inneren.
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#202

RE: Existenzminimum im Steuerrecht und im Sozialrecht

in Ökonomie 25.07.2020 08:22
von kuschelgorilla | 3.292 Beiträge

lieber Meridian, man erkennt offensichtlich Chancen, die im bGE liegen. Es könnte eine globale Testphase werden. Also warum nicht?


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#203

RE: Existenzminimum im Steuerrecht und im Sozialrecht

in Ökonomie 31.07.2020 21:43
von Meridian | 2.926 Beiträge

Hier ein weiterer Artikel, der sich mit einem globalen BGE befasst.

https://www.zeit.de/politik/ausland/2020...itik-undp-5vor8

Immerhin gibt es hier schon Einzelheiten, und dass selbst Despoten offenbar erkennen, dass eine minimale Sozialpolitik wichtig ist.


Die äußere Welt ist der Spiegel deines Inneren.
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#204

RE: Existenzminimum im Steuerrecht und im Sozialrecht

in Ökonomie 02.08.2020 00:27
von Atue (gelöscht)
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Selbst bei den meisten Despoten - so irre sie auch sind - bin ich davon überzeugt, dass sie zunächst tatsächlich der Meinung sind, dass sie und vor allem sie alleine das richtige für das Volk tun.

Wenn das Volk das dann anders sieht, suchen die Despoten die Ursache dafür in fehlender Weitsicht der Bürger, in Undankbarkeit, in Beeinflussung durch ausländische Staaten etc. etc. etc........

Für mich liegt das eigentliche Versagen nicht so sehr darin, dass es zu Despoten kommt - sondern darin, dass systemisch nicht ausreichend abgesichert wird, dass soziale Teilhabe in angemessener Weise selbstverständlich ist.

Weder ein Mindestlohn noch ein BGE könnte diese Lücke wirklich schließen - entscheidend ist vielmehr, dass es eine systemische Kopplung gibt, dass der Aufstieg Einzelner nicht auf Kosten anderer stattfinden kann.

Systemisch geht dies recht gut und theoretisch auch einfach, wenn man die Staatsfinanzierung auf Vermögenssteuern umstellt und Staatsschulden nicht oder nur noch in eng begrenzten Umfeldern zulässt. Sofern dann noch die Bürger demokratisch entscheiden können, welche Staatsausgaben zu finanzieren sind, ist der Kreislauf geschlossen, der derzeit offen ist.

Es ist dieses offene Ende des Kreislaufes, der verhindert, dass Volkes Wille ausgewogen zwischen sozialer Absicherung und Fortschritt entscheidet.



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#205

RE: Existenzminimum im Steuerrecht und im Sozialrecht

in Ökonomie 02.08.2020 00:42
von Atue (gelöscht)
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Zitat von Findus im Beitrag #197
Ein wesentlicher Kern der Kritik am bGE ist die Frage, wie es finanziert wird. Ein ernsthaftes Argument setzt also zuerst einmal eine Antwort auf diese Frage voraus, zumal in einer Krise mit Rückgang der Wirtschaftskraft.
Wenn die Finanzierung geklärt ist, kann man über Konsumfähigkeit usw. reden.

Meridians Frage nach der Vision finde ich richtig. Doch man muss auch überlegen, wie man eine Vision in reale Politik umsetzen kann.
400,- € bGE wären mir nicht mal ein Augenrollen wert. Mit einem Hartz IV - ähnlichen Satz könnte man kaum den Alltag bestreiten. Wenn die Vision heißt "Das bGE soll ein Leben mit Teilhabe und Freiheit ermöglichen", müsste das bGE doch deutlich höher ausfallen als die Grundsicherung.


Das ist schon richtig - tatsächlich ist aber die Frage, wann man welche Fragen stellt und beantwortet.
Derzeit (!) ist unser Problem nicht, dass wir ein BGE haben, sondern wir haben sehr viele Detailfragestellungen im Sozialrecht, die regelrecht nach Neuregelung schreien.

Ich für mich habe schon eine relativ klare Idee, wie man in Richtung BGE gehen könnte - so wie viele andere auch. Doch derzeit gibt es noch kein einziges Mehrheitsfähiges Gesamtkonzept! Auch dann nicht, wenn man sich grundsätzlich und mehrheitsfähig dazu einig ist, dass so etwas prinzipiell sinnvoll wäre.....

Die von mir vorgeschlagenen Zwischenstationen sind meines Erachtens nach durchaus mehrheitsfähig - allerdings sind wir damit noch deutlich von einem BGE entfernt, welches soziale Teilhabe und Freiheit ermöglicht.

Trotzdem setze ich mich dafür ein, wenigstens diese Zwischenziele zu erreichen - weil ich überzeugt bin, dass mit zunehmend mehr Zwischenzielen es immer leichter wir, das Gesamtziel und die Vision zu bekommen.

Sehr große Reformen halte ich für unrealistisch - außer die äußeren Umstände zwängen uns dahin, dass wir das angehen müssten. Deshalb ist mir eine kontinuierliche Bewegung in Richtung einer BGE-Gesellschaft durchaus symphatisch - revolutionären Anstrengungen hingegen stehe ich misstrauisch gegenüber - sie verlocken mit schnellen tollen Ergebnissen - blenden aber umgekehrt Risiken aus.



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#206

RE: Existenzminimum im Steuerrecht und im Sozialrecht

in Ökonomie 04.08.2020 22:39
von Anthea | 12.717 Beiträge

Antwort auf eine Petition der Linken, die bereits beinahe 500.000 unterzeichnet haben bei change.org

Mit dem bedingungslosen Grundeinkommen durch die Coronakrise
4. Aug. 2020

Sehr geehrte.....

seit Jahren streite ich sowohl in der Öffentlichkeit als auch parteiintern für die Idee des bedingungslosen Grundeinkommens. Das kann man auf meiner Website, in den vielen Beiträgen und Facebook nachlesen. Deshalb unterstütze ich auch Ihre Petition.

Es wäre schön, wenn diese in der Öffentlichkeit und im Parlament diskutiert würde. Wir hatten übrigens erneut die Idee einer Enquete-Kommission zum Grundeinkommen im Bundestag gegenüber den Grünen ins Gespräch gebracht, leider keine Reaktion darauf erhalten.

Ich finde es gut, dass mit dem Aufruf "Es ist höchste Zeit", denn Sie auch unterzeichnet haben, und mit der kommenden Europäischen Bürgerinitiative zum Grundeinkommen, die Aktivitäten um das Grundeinkommen verstärkt werden.

Wir brauchen eine breite und ernsthafte gesellschaftliche Debatte über die Einführung von Grundeinkommen in Deutschland, in Europa und weltweit.

Mit freundlichen Grüßen,
Katja Kipping, MdB


Ich bin der Wahrheit verpflichtet, wie ich sie jeden Tag erkenne, und nicht der Beständigkeit.
Mahatma Gandhi


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#207

RE: Existenzminimum im Steuerrecht und im Sozialrecht

in Ökonomie 18.08.2020 12:07
von Meridian | 2.926 Beiträge

An 120 Personen soll ein BGE 3 Jahre lang getestet werden mit 1200€ im Monat.

https://www.zeit.de/wirtschaft/2020-08/b...ng-corona-krise

Interessant ist, dass im Sozialbereich die Ausgaben immer weiter steigen ohne nennenswerten Erfolg, solange man beim Hartz4 bleibt. Das macht das Argument, ein BGE sei zu teuer, immer schwächer.


Die äußere Welt ist der Spiegel deines Inneren.
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#208

RE: Existenzminimum im Steuerrecht und im Sozialrecht

in Ökonomie 19.08.2020 01:00
von Atue (gelöscht)
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Ich begrüße jedes Experiment - allerdings ist auch dieses nur bedingt aussagekräftig.

120 Personen ist einfach zu wenig.
3 Jahre sind deutlich zu kurz - verhältst du dich wirklich ähnlich, wenn du einmal für 3 Jahre ein BGE bekommst, oder im anderen Fall ein Leben lang?

1200€ sind nett - nur, in einer konkreten BGE-Gesellschaft wird sich deine Konsumfähigkeit durch ein BGE von 1200€ nicht um 1200€ erhöhen......bei den meisten wird ein solches BGE faktisch nur eine minimal veränderte Konsumfähigkeit herbeiführen.

In diesem Experiment wird all dies und vieles weiteres mehr nicht berücksichtigt - weshalb die Aussagekraft des Exoeriments sehr begrenzt ist.



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#209

RE: Existenzminimum im Steuerrecht und im Sozialrecht

in Ökonomie 19.08.2020 10:39
von Meridian | 2.926 Beiträge

Man kann aber ein Experiment nicht für 10 oder mehr Jahre machen. Gegner des BGE würden einem so langen Experiment sogar zustimmen mit dem Wissen, dass in den nächsten 10 oder mehr Jahren kein BGE eingeführt würde.

3 Jahre ist schon einmal nicht schlecht. Andere Experiment waren kürzer oder mit weniger Geld verbunden (wie in Finnland). 1200€ sind in weiten Teilen von DE machbar, sehr knapp wird es aber in den Regionen mit den höchsten Mietpreise wie München. Allerdings ist es das Schöne, dass beim Zuverdienst nichts abgezogen wird. Ich glaube, man will auch den Zustand der Psyche vergleichen mit Leuten, die Hartz4 beziehen. Schon bei dem (von der konservativen Regierung in Finnland) aufgeweichten BGE-Experiment kam immerhin raus, dass die Leute gesünder, glücklicher und innerlich freier waren.


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#210

RE: Existenzminimum im Steuerrecht und im Sozialrecht

in Ökonomie 19.08.2020 21:05
von kuschelgorilla | 3.292 Beiträge

Lieber Meridian, ich verstehe deine Argumente ganz gut, aber ich finde hier, wie Findus, dass diese Experiment sowohl in Dauer wie auch in der Anzahl der Teilnehmer, die das bGE erhalten sollen nicht wirklich aussagekräftig sein kann. Damit dürfte das Experiment eigentlich zum Scheitern verurteilt sein... So zumindest meine Einschätzung.
Ich denke dann auch an die Verteilung der Personen. Wie wird dann bei 120 Personen wirklich der Effekt auf Wirtschaft und Gesellschaft sein? Das dürfte eher zu vernachlässigende Daten liefern, wenn denn überhaupt welche diesbezüglich gesammelt werden sollen.


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