#1

Fachkräftemangel oder wovon man am meisten schwärmt...

in Deutschland 18.12.2019 11:23
von Anthea | 12.415 Beiträge

wenn es wieder aufgewärmt. Oder besser noch: Wenn ein Problem als mehr oder weniger neu hingestellt wird...

Wie war das noch mit der Blue Card vor ca. sieben Jahren?Alles vereinfacht, Fachkräfte konnten flott einreisen, so sie einen Arbeitsvertrag mit einem Unternehmen vorweisen konnten mit einer Mindestgehaltssumme von XXX? Ich weiß die Summe momentan nicht mehr, aber sie war nicht allzu hoch. Wie war das mit den Bemühungen um indische IT-Fachkräfte? Die wollten aber irgendwie nicht?
Es hielt sich im Übrigen auch unter der arbeitssuchenden Bevölkerung der Verdacht, dass die Suche nach ausländischen Fachkräften auch eine Art von "Erpressung" in Bezug auf Lohndumping der Unternehmen bedeuten würde. So denn das Interesse von ausländischen Arbeitnehmern groß sein würde, es bei Bewerbung eines "einheimischen" Bewerbers heißen würde/könnte: Willst du die Arbeit nicht zu dem XXX Preis machen, dann macht es ein anderer..."

Jetzt gibt es also wieder verstärktes Bemühen mit Gesetz zum März nächsten Jahres. Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz tritt am 1. März 2020 in Kraft und soll qualifizierten Arbeitnehmern aus Nicht-EU-Staaten den Weg nach Deutschland erleichtern.

https://www.tagesschau.de/wirtschaft/fachkraefte-127.html

Nun fielen mir so einige Ungereimtheiten auf, was den angeblichen "Fachkräftemangel" anbelangt.

Im November 2019 waren in Deutschland rd. 2,2 Mio Arbeitslose registriert lt. Statista.

Frage: Sind das alles Ungelernte, Nappsülzen, Heckenpenner? Sorry, sind darunter keine brauchbaren Fachkräfte, die man in den Arbeitsmarkt holen kann? Und auch indem man ihnen Hilfen anbietet, wie bsp. den ausländischen Beworbenen? Wie es z.B. im Artikel heißt: "Die Wirtschaftsvertreter sagten zu, die Fachkräfte bei Spracherwerb, Wohnungssuche und Behördengängen zu unterstützen. Die Bundesregierung kündigte an, die Vergabe von Visa zu beschleunigen und die Anerkennung ausländischer Qualifikationen zu erleichtern."
Das würde ja wegfallen. Kostet Geld, kann man auch gut in inländische Bewerber investieren: Erweiterung der Qualifikation etc.

Man konnte oftmals lesen, dass, so es Kritiken und Verdacht gab, dass der anfangs ungezügelte Flüchtlingsstrom viele Schmarotzer und Einwanderer in unsere Sozialsysteme gebracht habe. Da wurde gekontert, dass unter den Flüchtlingen viele qualifizierte Fachkräfte seien.
Eine Meldung im letzten Jahr besagte, dass 25% eine Arbeit gefunden hätten, allerdings eher in Bereichen wie Gastronomie, Reinigung, Logistik... Und wo sind die qualitativ hochwertigen Fachkräfte? Setzt man denen Gesetze entgegen, damit die nur nicht eingesetzt werden?

Gibt es unter all den vielen, Millionen von deutschen Arbeitslosen und Zuwanderern wirklich keine Fachkräfte? "Warum in die Ferne schweifen, sieh das Gute liegt so nah" gilt nicht?

Irgendwie ist mir das alles recht suspekt.

---


Ich bin der Wahrheit verpflichtet, wie ich sie jeden Tag erkenne, und nicht der Beständigkeit.
Mahatma Gandhi


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#2

RE: Fachkräftemangel oder wovon man am meisten schwärmt...

in Deutschland 18.12.2019 14:03
von heiner | 881 Beiträge

Was wir brauchen, das ist eine Wirtschaftspolitik, wie einst durch Kanzler Brandt praktiziert. Da wurden Löhne recht kräftig erhöht, die Inlandsnachfrage damit deutlich gestärkt & der Export profitierte von einem prosperierenden Deutschland, auch nicht unerheblich. Nun hatte diese Regierung, nach all dem Geprotze der Konservativen, vom Wirtschaftswunder, es vermocht, das "Bruttosozialprodukt" in weniger als 5 Jahren, nahezu zu verdoppeln. Das war zum Ende der 1960er & dem Beginn der 1970er Jahre, das echte, wahre Wirtschaftswunder, denn nun hatten auch die Arbeitnehmer einen gerechten Anteil am Erfolg.

Heute sind wir wieder an einem Punkt, wo durch die Explosion der Mietpreise & den geringfügigen Steigerungen bei den Löhnen, die Arbeitnehmer erneut im Nachteil sind. Die SPD in der "GroKo" versucht so gut es mit den Konservativen geht, soziale Aufgaben abzuarbeiten, stößt jedoch immer schnell an jene Grenzen, die seitens der CDU/CSU aufgezeigt sind & das läuft nicht gut für die Arbeitnehmer.


dass ein Traum nicht wahr ist, sehe ich ein, dass er wahr werden kann, auch.
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#3

RE: Fachkräftemangel oder wovon man am meisten schwärmt...

in Deutschland 18.12.2019 16:46
von Anthea | 12.415 Beiträge

Lieber heiner, all das, was du aufzeigst, hat seine "Schwachstellenberechtigung".
Aber es beantwortet nicht meine Frage: Wo sind in unserem Land denn die Fachkräfte versteckt? Bei den vielen Arbeitslosen und den Zugewanderten. Gibt es die nicht???

---


Ich bin der Wahrheit verpflichtet, wie ich sie jeden Tag erkenne, und nicht der Beständigkeit.
Mahatma Gandhi


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#4

RE: Fachkräftemangel oder wovon man am meisten schwärmt...

in Deutschland 18.12.2019 21:52
von moorhuhn | 1.486 Beiträge

Zitat von Anthea im Beitrag #3
Wo sind in unserem Land denn die Fachkräfte versteckt?


Ich rechne jetzt nur mal mit der Stadt Leipzig, wo sich jährlich ca. 3000 Abiturienten auf machen, den Arbeitsmarkt 5-8 Jahre später zu bereichern. Man könnte jetzt die Oberschulen noch einbeziehen und die Statistik bundesweit erstellen. Selbst bei viel Schwund wegen individueller Belange, die Arbeitslosenstatistik berücksichtigt, kann es aus meiner Sicht keinen Fachkräftemangel geben!
Ich bleibe dabei, der Ruf nach Fachkräften erfüllt in Wirklichkeit die Tatbestände der räuberischen und emotionalen Erpressung.
Arbeitgeber sind nur bedingt bereit, ihren Mitarbeitern faire, angemessene und wertschätzende Arbeitsbedingungen zu gewähren.
Mittlerweile hat sich in der Vermittlung von Arbeitsverhältnissen eingeschlichen, im Einstellungsgespräch die persönlichen Belange des zukünftigen Arbeitnehmers wohlwollend und umfassend zu berücksichtigen. Schon in der 2. Arbeitswoche ist das alles vergessen und Ausbeutung ohne Lohnausgleich an der Tagesordnung.
Fazit, ausländische Fachkräfte sind Billiglohner auf hohem Niveau. Wohl dem, der in anderen Ländern lukrativere Angebote findet.


Der frühe Vogel kann mich mal !
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#5

RE: Fachkräftemangel oder wovon man am meisten schwärmt...

in Deutschland 18.12.2019 23:48
von Atue (gelöscht)
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Wenn ich eine Stelle aufmache, und keine geeigneten Bewerber sich darauf bewerben - und die ungeeigneten Bewerber soweit weg von meinem Bedarf sind, dass sich eine Qualifizierung wirklich nicht rechnet (weil es billiger ist, dann einen überteuerten externen Consultant zu nehmen), dann rede ich durchaus von Fachkräftemangel.

Wenn man über die 2,2 Millionen Arbeitslose redet, dann ist es wenig sinnvoll diese über einen Kamm zu scheren. Spannend ist, wer von den 2,2, Millionen nach einer gewissen Zeit noch immer arbeitslos ist - denn ein nicht unwesentlicher Teil der 2,2 Millionen überbrückt nur mit Arbeitslosigkeit ein Jobverhältnis zum nächsten. Man findet hierzu Zahlen, die beispielsweise besagen, dass auf ein ganzes Jahr bezogen ca. 2,4 Millionen Menschen arbeitslos werden, aber auch 2 Millionen aus der Arbeitslosigkeit in eine Arbeitsverhältnis gehen.
Betrachtet man die Langzeitarbeitslosigkeit, dann reden wir hier von ca. 800.000 - und regelmäßig gibt es auch Gründe dafür, warum diese so schwer zu vermitteln sind.
Jemanden mit 55+ nochmals deutlich und kostenintensiv nachzuschulen, um ihn zur Fachkraft in einer der Mangelberufe auszubilden, bedeutet schon einen enormen Aufwand - und längst nicht jeder 55+ will das überhaupt. Gesundheitliche Fragestellungen spielen da auch eine Rolle.
Eine fehlende Flexibilität ist oft auch ein Hindernis - was nützt mir der arbeitslose Facharbeiter im Osten der Republik, wenn die offene Stelle in Baden-Württemberg ist, und der Betroffene verdammt nochmal nicht bereit ist, seine Heimat zu verlassen?

Ich mag das pauschalierte Unternehmerbashing nicht so arg gerne - in unserer Volkswirtschaft sind die systemischen Zusammenhänge halt auch so, dass Unternehmen einen Unternehmenszweck haben - und dieser ist es nicht (!) besonders vielen Mitarbeitern besonders hohe Löhne zu zahlen! Unternehmen haben gerade den Zweck, einen Wirtschaftlich relevanten Prozess effektiver zu organisieren, als wenn ich das selbst machen würde - gelingt das dem Unternehmen nicht, werde ich es nicht in Anspruch nehmen - das Unternehmen ist überflüssig und verschwindet vom Markt - übrigens dann mit der Folge, dass es keinen Arbeitnehmer beschäftigen kann. Das wird gerne vergessen.

Gerade auch in Deutschland gibt es viele Eigentümergeführte Unternehmen, denen die Mitarbeiter durchaus auch am Herzen liegen. Sie versuchen durchaus, auch faire Löhne zu zahlen oder Weiterbildung aktiv zu unterstützen. Nur - auch diese Unternehmen stehen im Marktgeschehen - und das ist volkswirtschaftlich ja gewollt - und können sich nicht Trends wie der Automatisierung u.ä. entziehen. Wer sich entzieht, schafft sich ab - und wieder bleiben dann 0 faire und 0 unfaire Arbeitsverhältnisse übrig.

Was ist eigentlich ein fairer Lohn? Man ist schnell geneigt zu sagen, ein Lohn, von dem der Tätige auch leben kann....und da würde doch gerne jeder intuitiv zustimmen.....und viele derer, die da zustimmen, stimmen aber genauso zu, wenn man sagt: bevor einer arbeitslos faul herumliegt, soll er doch lieber für 1€ Zuverdienst arbeiten gehen.....

Meiner Sichtweise nach gibt es keinen fairen Lohn! Lohn errechnet sich im Wesentlichen aus Angebot und Nachfrage - und hier ist auffällig, dass in internationalisierten Märkten oft genug deutsche Arbeitnehmer mit Arbeitnehmern konkurrieren, die für einen Bruchteil arbeiten gehen. Die Märkte sind so - aber der deutsche Arbeitgeber hat nur bedingt überhaupt die Möglickeit, dagegen zu halten.

Und der Verbraucher?
Gestern gab es einen Beitrag im Fernsehen (habe mir leider nicht gemerkt wo genau) da wurde ein Versuch mit einem Bekleidungsgeschäft gemacht. Man hat dort hochwertige Kleidung für Tiefstpreise angeboten - und hat mit lokaler Produktion geworben. War man im Geschäft sah man im Hintergrund eine Truppe Kinder an Nähmaschinen arbeiten.....

Ein kleiner Teil der Verbraucher hat das gesehen und sich empört. Die meisten haben die Kinderarbeit gesehen, aber ignoriert, weil das Schnäppchen einem näher war als die Ausbeutung der anderen.

Es war natürlich nur ein Experiment - es wurde kein Kind geschädigt oder ausgebeutet......aber: Wenn immer wieder mal vom bösen ausbeuterischen Unternehmer gesprochen wird - in Deutschland wären nur die allerwenigsten Arbeitgeber bereit, Kinderarbeit (in Deutschland) anzugehen. Leider hört die Sensibilität zur Kinderarbeit doch noch zu häufig an den Grenzen auf - aber bei Unternehmen nimmt sie doch sukzessive zu. Nur - Bei den Kunden ist die Sensibilität dafür, was das eigene Verhalten bewirkt, längst nicht so ausgeprägt.

Unternehmer sind sicherlich in der Breite nicht besser als der Durchschnitt der Bevölkerung - aber die Bereitschaft die Ausbeutung anderer auszuhalten ist eine Eigenschaften, die leider wohl zum Menschen gehört. Dagegen kann man nur mit Aufklärung, Kultur und Ethik dagegen halten - und die Politik, die gesellschaftlichen Trends leider inzwischen deutlich hinterherläuft, wäre gefragt, diese Aspekte dann auch in Recht und Gesetz einzubringen.



zuletzt bearbeitet 18.12.2019 23:51 | nach oben springen

#6

RE: Fachkräftemangel oder wovon man am meisten schwärmt...

in Deutschland 20.12.2019 09:50
von heiner | 881 Beiträge

Bundeskanzler Kohl hatte mit Umschulungen, die Arbeitslosen-Statistig geschönt, ja aber Qualifizierung ernst gemeint & Erfolgsorientiert angelegt, könnte viel Unzufriedenheit mindern & vielen Menschen ein neues Selbstbewusstsein in einem besser bezahlten Job bringen.
Schauen wir uns um, so erkennen wir, dass in Ost zu wenig verdient wird & derob der Frust der Menschen sich über der Politik entlädt. Nun könnte mit politischem Willen, eine Qualifizierungsoffensive eingerichtet werden, wo sich die Menschen ihr Selbstbewusstsein zurück holen können. Klar kann nicht jeder "Pegida-Vollhorst" zum Diplom-Ingenieur avancieren, aber viele, die guten Willens sind, werden sich mühen um zu qualifizierten Fachkräften zu werden.
Wenn Menschen aus Weltregionen in denen zu wenig verdient wird, rekrutiert werden um das Lohnniveau im Lande zu drücken, wird etwas befördert, das wir heute schon erschreckt konstatieren & das Schlimmste daran ist, dann gäbe es sogar eine echte Begründung.


dass ein Traum nicht wahr ist, sehe ich ein, dass er wahr werden kann, auch.
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#7

RE: Fachkräftemangel oder wovon man am meisten schwärmt...

in Deutschland 21.12.2019 21:02
von Findus | 2.521 Beiträge

Trotzdem kann man auch ohne Hochschulabschluss gut bezahlte Jobs bekommen. Wer eine abgeschlossene Ausbildung bereits hat, kann z.B. sich zum Zugführer umschulen lassen. Das wäre dann ein Stück gelebte Verkehrswende.


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#8

RE: Fachkräftemangel oder wovon man am meisten schwärmt...

in Deutschland 21.12.2019 21:59
von grimmstone | 478 Beiträge

Die Umschulung des von Kohl wäre damals nützlich gewesen, nur wer hätte den gewollt?


Die meisten Ruinen haben zwei Beine.
http://nachtschichten.eu
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