Klassik - was ist das denn? Ich mache es mir einfach und definiere nach den Kriterien des CD-Kataloge und diversen Klassik-Foren der deutschen Rundfunkanstalten, wonach aus dem Zeitraum dem alle zwichen sowohl Tomaso di Albinoni wie auch Gustav Mahler zur Klassik gehört, aber alles was danach kam, nicht.
Als erstes fällt die Gepflogenheit auf, kaum noch Stücke in ihrer ganzen Länge zu spielen. Beethoven wird sich wohl etwas dabei gedacht haben, daß seine Fünfte vier Sätze hat, aber wenn die Rundfunkanstalten daraus nur - ich übertreibe jetzt - nur das prägnante Eingangsmotiv spielen, weil die Musik aufs Programmschema heruntervergewaltigt werden muß, dann ist die Verhunzung der Klassik vollendet.
Beethoven war ein verschrieener Neutöner, der im Laufe der Zeit zum Geistesheroen nicht nur deutscher, sondern der Weltkult wurde. Aber er war auch Zeitzeuge. Er erkannte, daß nach der Schlachten Napoleons mit ihren hunderttausenden von Toten nicht mehr mit Schalmeien und Menuetten zu fassen war. Denn Kunst ist immer auch das unausweichliche Bestreben, die Welt, in sie entsteht, mit den Mitteln, die sie hat, in Begriffe Symbole, Formen, Metaphern zu fassen, Eben Kunst zu sein.
Und da beginnt das heutige Problem, genauer am 28.7.2014. Da brach die Apokalypse über die europäische Welt herein. Wie war es noch möglich, Verdun und die Schlacht an der Somme in Beethovschen Termini und mit mozartschen Mitteln darzustellen? Die Komponistenund Dichter, überhaupt die Künstler, konnten es. Ob Strawinskys Frühlingsopfer hier schon dazu gehört, mag streiteswert sein, aber jedenfalls drückt sich hier schon aus, das etwas an dieser westlichen Kultur nicht stimmen konnte. 1918 war es fast allen klar - dem Bürger war der Hut vom Kopf geflogen. (Jacob van Hoddis)
In dieser Zwischenzeit zwischen den Kriegen entstanden einife der berührensten, erschütterndsten, wundervollsten Musiken der Neuzeit. Milhauds, "La Création du Monde" - übrigens mein Lieblingsstück all over all times, Poulenc "La voix humaine", Honeggers" Pacific 231", wo ein Komponist sich der Faszination der modernen Technik annimmt, und viele mehr.
Und dann kam World War II.
Am Ende war klar, was auch jedem hätte vorher klar sein können: selbst der Sprache kann man nicht trauen. Was zu Arno Scmidt, Ernst Jandl und anderen führt. Auch zu Adorno, der befand, daß nach Ausschwitz es unmöglich geworden sei, noch Gedichte zu schrieben. Gottseidank hielten sich die Dichter nicht daran.
Auch nicht die Musiker. Was man an den wundervollen Werke der Nachkriegszeit sehen kann; Stockhausens "Gesang der Jünglinge im Feuerofen", Schönbergs "Ein Überlebender aus Warschau", Luigi Nonas "Intolleranza", Henzes "Das Floß der Medusa".
Kunst, will sie Kunst sein, reagiert auf die Welt, in der sie lebt und entsteht. Und genau das vermeidet die offizielle derzeitige Kundtrezeption. Kunst darf nich wehtun, darf nichts ansprechen. Wenn ich schon diesen Slogan in NDR Kultur hören "Höööööören und Genißen", kräsuselt sich mir die Bauchdecke!