#16

RE: Die aktuelle Entwicklung der Grünen

in Deutschland 23.10.2017 17:47
von MaMi (gelöscht)
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Die Grünen entstammen in ihren Ursprüngen einer politisch eher linken Tradition. Die meisten, welche in den Anfangsjahren, d.h. in den 80ern die Grünen wählten, waren vorher SPD-Wähler aus deren linkem Parteiflügel. Es war damals nicht nur eine Ökobewegung, sondern auch eine Antirüstungs- und Antipatriarchatsbewegung usw.

Dass die grünen Wähler diejenigen mit dem höchsten Durchnittseinkommen sind, hat auch damit zu tun, weil die grüne Bewegung ursprünglich in starkem Maße aus einer Studenten – und Akademikerbewegung hervorging und diese Leute heute überwiegend zur gehobenen Mittelschicht gehören.

Auch wenn von Anfang an durchaus ein konservatives Gedankengut in der grünen Bewegung steckte, sind sie doch überwiegend Spross aus der SPD.

Dass es 1982 zum Regierungswechsel von Schmidt zu Kohl kam, lag auch an der Entstehung der Grünen, was schon innerparteilich in der SPD für ziemliche Unruhe sorgte und dazu führte, dass Helmut Schmidt, noch weniger als vorher, alle hinter sich hatte. Genscher bestätigte das später einmal öffentlich, indem er die Zerrissenheit innerhalb der SPD als mitausschlaggebend für seinen Koalitionsweschsel zur Union hin nannte.

Dieses, eher zum politisch linken Lager tendierende Spektrum gibt es in durchaus ansprechender Stärke auch heute noch, trotz eines gewissen Wandels der Grünen.

Mit der Entscheidung, Frau Göring Eckardt und Cem Özdemir zu den Spitzenkandidaten zu machen, entschied man sich auch für deren Position einer deutlichen Annäherung an die Union und auch an die FDP und verprellte damit die linke Flanke innerhalb der Grünen.

Noch kurz vor der Bundestagswahl waren sich einige in der grünen Parteispitze nicht sicher, ob man überhaupt die 5% Hürde nehmen würde. Bei der Wahl kam dann Erleichterung auf, weil das Ergebnis dann doch deutlich besser als die letzten Umfragen war.

Ich habe in meinem persönlichen Umfeld einige Menschen, die traditionell grün wählen, dies aber eigentlich bei dieser Wahl nicht vorhatten, sondern Linke, die SPD oder gar nicht wählen wollten und die sich kurzfristig doch noch für die Grünen entschieden, weil sie mit ihrer grünen Stimme ein klares Votum gegen die AfD zum Ausdruck bringen wollten.

Diese einzelnen Leute in meinem Umfeld müssen nicht für die Mehrheit stehen, welche aber ebenfalls allem Anschein nach in den letzten Stunden vor der Wahl noch ihre Entscheidung änderte. Aber interessant ist diese Tatsache vor allem deshalb, weil die Grünen dann anschließend bei der Niedersachsenwahl abgewatscht wurden, wo die AfD kaum eine Rolle spielte und nach den Wahlanalysen genau das geschah, dass nämlich die Abgänge der Grünen überwiegend bei SPD und Linken landeten.

Wie zu lesen ist, versteht sich vor allem Cem Özdemir auch politisch mit dem einen oder anderen FDP-Vertreter überaus gut, was natürlich nicht verboten ist.

Man kann zu den Grünen stehen wie man möchte. Aber schon die SPD verlor dauerhaft und massiv einen sehr großen Teil ihrer bisherigen Wähler durch die Agenda Schröders, also durch einen klaren Sündenfall, was die bisherigen und traditionellen SPD-Prinzipien ausmachte. Durch eine politisch neue Standortbestimmung.

Wenn die Grünen jetzt dauerhaft zusätzlich auch noch im selbem Teich (der vielbeschworenen Mitte) fischen, auf Kuschelkurs mit Union und FDP gehen, dann dürften sie auch ihren politisch linken Flügel verlieren, an Linke oder aktuell sogar an die SPD.

Dann kann es durchaus sein, dass die Zeiten, in denen Grüne bei vielen Wahlen auch schon mal deutlich über 10% lagen, eher vorbei sind. Mit ganz wenigen Ausnahmen.

Jamaika kann auch dazu führen, dass die Grünen aus dem nächsten Bundestag herausfliegen. Denn das, was die Grünen links verlieren, müssen sie rechts erst einmal dazu gewinnen. Aber rechts der Grünen sind Leute, welchen die Ansichten der Grünen zur Migrationenspolitik eher nicht gefallen.


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#17

RE: Die aktuelle Entwicklung der Grünen

in Deutschland 23.10.2017 20:05
von fjodorov (gelöscht)
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Völlig richtig,die Grünen haben ihre Wurzeln in der Friedensbewegung und waren in ihren Ursprüngen wohl eher dem linken Spektrum zuzuordnen.Spätestens nach dem Fischer diese Partei,um seine persönliche Karriere zu fördern,in ihrer politischen Ausrichtung zu neuen Ufern führte,nämlich von einer friedensbewegten zu einer kriegsbefürwortenden Partei,ist sie im Mainstream angekommen und wird von den anderen etablierten Parteien nicht mehr bekämpft.Ob allerdings ihr Vorhaben,bei CDU und SPD in deren Wählerpotential wildern zu können, auf Dauer gelingen wird darf bezweifelt werden.Weshalb sollten Wähler in Größenordnungen zu den Grünen wechseln wenn diese sich kaum noch von den anderen unterscheiden.In einer möglichen Jamaika-Koalition werden sie auch Kröten schlucken müssen,die ihnen auf Dauer nicht bekommen werden.


"Der Kapitalismus trägt den Krieg in sich wie die Wolke den Regen"

Jean Jaurès (1859-1914)
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#18

RE: Die aktuelle Entwicklung der Grünen

in Deutschland 24.10.2017 11:16
von Archimedes | 148 Beiträge

Ich hatte schon vor vier Jahren mit Schwarz Grün gerechnet und somit mit der dritten Partei, die Frau Merkel inhaltlich so aussaugt, dass sie bedeutungslos werden. Damals haben die Grünen vorausschauend gekniffen. Jetzt wird man wohl regieren wollen, ehe es gar nicht mehr möglich ist.


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#19

RE: Die aktuelle Entwicklung der Grünen

in Deutschland 24.10.2017 15:08
von fjodorov (gelöscht)
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Dazu noch ein Kommentar von Antje Vollmer,Mitglied der Grünen und Vizepräsidentin des Bundestages.

Der Zeitpunkt und die Notwendigkeit der Wiedervereinigung der europäischen Linken sind jetzt gekommen. Wenn dieses Ziel nicht angepackt wird, droht nicht nur den Sozialdemokratischen Parteien Europas, sondern auch den neuen linken Bewegungen – wie Syriza in Griechenland, Podemos in Spanien – und übrigens auch den Grünen – ein Dasein als Mauerblümchen der Geschichte. Dafür muss die europäische Linke sich aber erst einmal an Haupt und Gliedern, in der Theorie und in der Praxis, vom Geist der Großen Koalitionen trennen, von ihrer Bereitschaft zur machtpolitischen Kooperation, zum strategischen Mitläufertum und zur mithelfenden Sozialarbeit bei gerade jenem Politik- und Strategie-Konzept, das die letzten 25 Jahre den gesamten Westen in seine tiefste Krise geführt hat.

Wie vor hundert Jahren müssen die Parteien der Linken ihre Daseinsberechtigung zu allererst dadurch beweisen, dass sie aus den Kriegen und Sanktionen endlich aussteigen, selbst aus denen, die angeblich aus Menschenrechtsgründen geführt werden.

Ja, es war ein politisches Schurkenstück, den Grünen ausgerechnet mit den Lehren aus Auschwitz die Zustimmung zum Kosovo-Krieg abzupressen. Das hat nicht nur am Ende auf dem Balkan Zwergstaaten geschaffen, die gar nicht existenzfähig sind, es hat auch die Grünen bis heute im Wesenskern verändert.

Rechtsradikale Tendenzen nehmen überall zu, auch weil niemand den Bevölkerungen ein anderes lohnendes Ziel zu bieten versteht als den Rückzug in die nationalistische Ära. Es wäre eine Armutszeugnis für die politische Linke, wenn sie die Frage von Krieg und Frieden, einem friedlichen Ausgleich unter den Völkern, die Forderung von sozialer Gerechtigkeit und ökologischer Zukunftsvisionen ausgerechnet den Rechten überließe.


Wer das sehr analytische und interessante Statement lesen möchte,hier der Link:http://www.fr.de/politik/zukunftsperspek...pager-1372495-0


"Der Kapitalismus trägt den Krieg in sich wie die Wolke den Regen"

Jean Jaurès (1859-1914)


zuletzt bearbeitet 24.10.2017 15:09 | nach oben springen


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