Wann reden wir endlich wieder über soziale Themen und Soziale Gerechtigkeit?
Wann reden wir endlich wieder über soziale Themen und Soziale Gerechtigkeit?
in Alles rd. um Familie, Jugend, Kriminalität, Gesetze, Sozialstaat uvm 24.10.2019 18:29von Findus • | 2.765 Beiträge
Unter vielen grünen Themen wurde sie vergessen, die Soziale Gerechtigkeit. Aus dem ZDF vorliegenden Zahlen geht hervor, dass im Jahr 2018 etwa 300.000 Haushalten mindestens zeitweise der Strom abgestellt wurde.Die Zahl der Stromsperren wird seit dem Jahr 2011 erhoben. Bereits 4 Wochen nach Mahnung säumiger Stromkosten sind die Versorger berechtigt, den Strom abzuschalten.Betroffen sind vor allem Bezieher von Arbeitslosengeld II und Menschen in Krisensituationen.
Das Problem ist einfach skizziert: Im Zeitraum zwischen den Jahren 2008 und 2018 ist der Strompreis um 40% gestiegen. Im gleichen Zeitraum ist der Anteil von Stromkosten im Regelsatz der Grundsicherung jedoch nur um 27% gestiegen.
Reagiert haben bislang nur einzelne Bundesländer. Es gibt in Nordrhein-Westfalen beispielsweise das Projekt "NRW bekämpft Energiearmut".
Wann werden endlich wieder Soziale Themen und die Soziale Gerechtigkeit politisch diskutiert? In den letzten Monaten scheinen mir soziale Themen in Vergessenheit geraten zu sein.
RE: Wann reden wir endlich wieder über soziale Themen und Soziale Gerechtigkeit?
in Alles rd. um Familie, Jugend, Kriminalität, Gesetze, Sozialstaat uvm 24.10.2019 18:45von Anthea • | 12.752 Beiträge
Ich glaube, das siehst du richtig. Es sollte immer "Jacke" näher als "Hose" sein.
Womit ich meine, dass in unserem eigenen Land viel zu tun ist - anderes muss warten.
Ich bin da etwas zwiegespalten, was die Abstellung von Strom bei HartzIV-Empfängern anbelangt. Natürlich ist das Geld bei diesen knapp, aber es zu verwalten bzw. zu verwenden erfordert eine Liste der Vorrangigkeit. Und da muss zuoberst Miete und Strom stehen. Aus meiner Sicht tut es das jedoch bei vielen nicht, sondern eben anderes wie z.B. Zigaretten o.ä. Und wenn eben jemand meint, das sei für ihn/sie wichtiger als Strom, dann hält sich mein Verständnis oder Mitgefühl beim Jammern doch arg in Grenzen.
Mag hartherzig klingen. Vielleicht sollte man das System H4 auch modifizieren, indem nicht nur die Miete direkt an den Vermieter überwiesen wird, sondern auch der Abschlagsbetrag für Strom und Heizung direkt an den Lieferer. Und wenn es später zu Nachzahlungen kommen sollte, dann lässt sich dies wiederum verrechnen.
---
Ich bin der Wahrheit verpflichtet, wie ich sie jeden Tag erkenne, und nicht der Beständigkeit.
Mahatma Gandhi
RE: Wann reden wir endlich wieder über soziale Themen und Soziale Gerechtigkeit?
in Alles rd. um Familie, Jugend, Kriminalität, Gesetze, Sozialstaat uvm 24.10.2019 19:25von Findus • | 2.765 Beiträge
Ich halte dir aus dem Bericht folgendes Faktum entgegen: Der Strompreis steigt stärker als der Anteil für Stromkosten im Regelsatz. Die Verbraucherzentrale NRW stellt entsprechend fest: "Bei Hartz IV reicht der Anteil für Strom nicht aus".
Wenn ich also zu wenig Anteil für Stromkosten bekomme, wie kann man dann erwarten, dass es immer gelingt, sich den fehlenden Anteil der Stromrate abzusparen? Kann man da überhaupt so "hartherzig" sein?
Den Skandal sehe ich darin, dass in der Grundsicherung scheinbar nicht genug Geld für Strom zur Verfügung gestellt wird. Mich wundert es fast, dass nur in 300.000 Haushalten der Strom gesperrt wurde. Und was ist, wenn Kinder in einem Haushalt ohne Strom leben?
RE: Wann reden wir endlich wieder über soziale Themen und Soziale Gerechtigkeit?
in Alles rd. um Familie, Jugend, Kriminalität, Gesetze, Sozialstaat uvm 24.10.2019 20:24von Anthea • | 12.752 Beiträge
Lieber Findus, die Stromrate muss natürlich entsprechend angepasst werden.
Und Kinder sind immer die Betroffensten.
Was würdest du denn vorschlagen, wie Abhilfe zu schaffen ist?
Ich habe ganz spezielle Fälle aufgeführt, wo ich "hartherzig" bin.
Das ist genau so, wenn jemand in eine missliche Situation gerät, weil er/sie z.B. gemeint hat, Dinge zu kaufen, wofür das Geld einfach nicht da ist...Siehe Internet "Frustkäufe". Nach dem Motto: Ich will das auch haben...
Das psychische Moment daraus kann ich verstehen.
Ich bin der Wahrheit verpflichtet, wie ich sie jeden Tag erkenne, und nicht der Beständigkeit.
Mahatma Gandhi
RE: Wann reden wir endlich wieder über soziale Themen und Soziale Gerechtigkeit?
in Alles rd. um Familie, Jugend, Kriminalität, Gesetze, Sozialstaat uvm 24.10.2019 22:58von Gelöschtes Mitglied
Der Fehler liegt im System. Die Regelsätze von Hartz IV basieren inhaltlich auf angenommenen Warenkörben. In diesen ist auch der Strompreis enthalten. Fehler 1: Der Preis für den Warenkorb wird bestenfalls alle paar Jahre neu ermittelt. Und: Ob man dann bei Abweichungen auch den Hartz IV Satz anpasst...ist nochmal eine andere Geschichte.
Fehler 2: Der Warenkorb an und für sich müsste auch häufiger unter die Lupe genommen werden, denn das Verhalten von Verbrauchern verändert sich.
Fehler 3: Wenn Hartz-Empfänger versuchen Kosten für besondere Auslagen geltend zu machen, reichen schon kleine Formfehler aus, so dass zumindest längere Fristen vergehen, bis entsprechende Nachzahlungen vom Amt kommen - wenn überhaupt. Das bedeutet aber, dass schon kleine Probleme den Hartz-Empfänger finanziell dazu bringen können, dass dieser seine Stromrechnung nicht bezahlen kann.
Theoretisch könnte eine Alternative sein, dass für Hartz IV Empfänger generell nicht dieser selbst sich um seinen Strom kümmert, sondern dieser pauschal und aufgrund der Strommengen auch mit entsprechend günstigem Einkauf durch den Staat zur Verfügung gestellt wird. Vielleicht nicht unbegrenzt, sondern nur in Höhe einer üblichen Menge - alles was dann darüber hinaus abgenommen wird, muss der Hartz Empfänger dann von seinen Zahlungen auch bezahlen.
Praktisch fände ich es sinnvoller, den finanziellen Spielraum für Hartz IV nicht ganz so eng zu ziehen.
RE: Wann reden wir endlich wieder über soziale Themen und Soziale Gerechtigkeit?
in Alles rd. um Familie, Jugend, Kriminalität, Gesetze, Sozialstaat uvm 25.10.2019 09:14von kuschelgorilla • | 3.292 Beiträge
Eingehend auf den Eingangspost: Soziale Themen sind nicht mehr ohne den Umweltschutz zu sehen - und umgekehrt. Das geschilderte Beispiel mit den Strompreisen ist auch ein klassischer Fall, in dem beide Problemkreise eine große gemeinsame Schnittmenge haben. Meines Erachtens ist eine umfassende Reform des kompletten politischen und gesellschaftlichen Systems dringend erforderlich.
@ Anthea
Nein - du bist nicht hartherzig.
Allerdings bin ich kein Freund der Jacken-und-Hosen-Theorie, wie du weißt. Letztlich kommen die "Hosen-Probleme" auch wieder zu uns zurück...
@ Atue
Die von dir genannten drei Fehler im System Hartz4 sind wahrlich wunde Punkte.
Dein Vorschlag den Strom-Abschlag analog zur Miete zu handhaben ist klasse.
Aber eine Frage: was ist eine "übliche Menge" und wer legt das fest? Bekommen wir damit nicht den nächsten Fehler im System serviert?
Lösung? Hartz4 ist meines Erachtens schon von Anfang an ein Fehler gewesen. Angesicht der zu erwartenden gesellschaftlichen Veränderungen würde ich nicht auf eine Modifikation des Hartz4-Systems bauen sondern eher auf das BGE. Damit würde man meines Erachtens auch schon in Zukunft denken statt immer hintenrein nachsteuern zu müssen...
Wie das BGE aussehen soll? Das hängt von den gesellschaftlichen Veränderungen in der Zukunft ab. Mit was müssen wir also in Zukunft rechnen?
Meine Motivation ging heute morgen winkend und lächelnd an mir vorbei
RE: Wann reden wir endlich wieder über soziale Themen und Soziale Gerechtigkeit?
in Alles rd. um Familie, Jugend, Kriminalität, Gesetze, Sozialstaat uvm 25.10.2019 11:26von kuschelgorilla • | 3.292 Beiträge
Ergänzung zu meinem vorherigen Beitrag.
Meine Forderung nach dem BGE kommt auch nicht von ungefähr.
Neben den Hart4-ern sind auch Arbeiter im Billiglohnsektor nicht gerade Nutznieser von Kostensteigerungen, die aus der Bearbeitung von Umweltproblemen resultieren. Im Grunde betrifft das jeden 5. Vollzeitbeschäftigten hierzulande.
https://www.handelsblatt.com/politik/deu...4nkq0jXS0Gc-ap4
Meine Motivation ging heute morgen winkend und lächelnd an mir vorbei
RE: Wann reden wir endlich wieder über soziale Themen und Soziale Gerechtigkeit?
in Alles rd. um Familie, Jugend, Kriminalität, Gesetze, Sozialstaat uvm 25.10.2019 16:57von Findus • | 2.765 Beiträge
Zitat von Atue im Beitrag #5
Theoretisch könnte eine Alternative sein, dass für Hartz IV Empfänger generell nicht dieser selbst sich um seinen Strom kümmert, sondern dieser pauschal und aufgrund der Strommengen auch mit entsprechend günstigem Einkauf durch den Staat zur Verfügung gestellt wird. Vielleicht nicht unbegrenzt, sondern nur in Höhe einer üblichen Menge - alles was dann darüber hinaus abgenommen wird, muss der Hartz Empfänger dann von seinen Zahlungen auch bezahlen.
Das ist "freundliche Fürsorge". Jedoch keine Hilfe zur Selbsthilfe, keine Befähigung der Menschen.
Aus diesem Grund schwierig, obwohl du Versorgungssicherheit hättest.
RE: Wann reden wir endlich wieder über soziale Themen und Soziale Gerechtigkeit?
in Alles rd. um Familie, Jugend, Kriminalität, Gesetze, Sozialstaat uvm 25.10.2019 17:05von Findus • | 2.765 Beiträge
Zitat von kuschelgorilla im Beitrag #7
Ergänzung zu meinem vorherigen Beitrag.
Meine Forderung nach dem BGE kommt auch nicht von ungefähr.
Neben den Hart4-ern sind auch Arbeiter im Billiglohnsektor nicht gerade Nutznieser von Kostensteigerungen, die aus der Bearbeitung von Umweltproblemen resultieren. Im Grunde betrifft das jeden 5. Vollzeitbeschäftigten hierzulande.
https://www.handelsblatt.com/politik/deu...4nkq0jXS0Gc-ap4
Oh hör bloß auf mit dem leidigen Thema. Heute morgen ging durchs Radio, dass mit der Umstellung auf E-Mobilität bei Einrechnung aller neuen Stellen mittelfristig 20% der jetzt noch bestehenden Beschäftigungsverhältnisse verschwinden werden. Die Klagen des Nachbarn am Gartenzaun habe ich mir heute schon einmal angehört. Er hat Glück, als Meister auch zukünftig gebraucht zu werden. Seine Kollegen jedoch nicht alle.
Leider gilt in der Praxis der Spruch "Einmal Arbeiter in der Autoindustrie - nie mehr anderswo verwendbar".
Wenn ich das so höre, scheint mir ein BGE nicht dumm. Integration in die Gesellschaft verläuft heute jedoch noch vollständig über Arbeit. Und woher bekommt man die Sicherheit, dass das BGE auch millionenfach funktioniert?
RE: Wann reden wir endlich wieder über soziale Themen und Soziale Gerechtigkeit?
in Alles rd. um Familie, Jugend, Kriminalität, Gesetze, Sozialstaat uvm 25.10.2019 17:20von kuschelgorilla • | 3.292 Beiträge
Lieber Findus, Sicherheit gibt es nicht. Man mag es jedem verzeihen, der es sich wünscht, aber Sicherheit bleibt eine Illusion.
Mit all den Aufgaben, die auf uns zukommen, ist das BGE die einzig mögliche Lösung, die ich sehe. Alles Weitere dürfte nur Stückwerk und Symptombehandlung sein.
Das mit der Autoindustrie ist auch nicht anders als mit der Stahl- und Kohlebranche. Aber wir leben dazu noch in einem Zeitalter, in dem mehr und mehr automatisiert wird, Arbeitsplätze also ohnehin vernichtet werden. Meines Erachtens kann man die allermeisten Arbeitsplätze auch auf mehrere Arbeitnehmer aufteilen. Wir hatten schon mal das Thema mit einer 30 Stunden-Woche. Warum reden wir nicht über eine 20 oder gar 15 Stunden-Woche, bei der die Arbeit einfach gerechter verteilt ist... BGE und dann eben noch dazuverdienen. Das hätte auch den Vorteil, dass man sich als Individuum wesentlich mehr einbringen kann, egal in welchen Bereichen. Ehrenämter und politische Betätigung, Vereinsmeierei und (Fort)Bildung - das können doch durchaus weitergehende Ziele sein, die sich nachzuverfolgen lohnen würde. Ich wüsste sofort, was ich machen würde. Es ist nicht so, dass ich nicht gerne arbeite, aber es gibt über diese Arbeit hinaus noch so viele weitere Projekte, die zu verfolgen es sich lohnt, zu denen man sonst nicht kommt... Hast schon mal jemanden auf dem Sterbebett jammern gehört: "Hätte ich doch nur diese Schraube fester gedreht." Man bekommt eher zu hören: "Hätte ich mich doch mehr um meine Familie gekümmert."
Ich empfinde das gar nicht als ein leidiges Thema.
Meine Motivation ging heute morgen winkend und lächelnd an mir vorbei
RE: Wann reden wir endlich wieder über soziale Themen und Soziale Gerechtigkeit?
in Alles rd. um Familie, Jugend, Kriminalität, Gesetze, Sozialstaat uvm 25.10.2019 17:59von Findus • | 2.765 Beiträge
Und am Ende wird aus der Hausfrau per definitonem eine Arbeitnehmerin
Wir können das alles diskutieren, solange wir uns mit Begriffen wie "Care-Work" nicht selbst in die Tasche lügen.
Aber das war nicht die Intention meines Beitrages.
So sympathisch die Idee des Grundeinkommens ist, woher nimmst du die Sicherheit, dass sie für 82 Millionen Menschen funktioniert? Du hast dir doch irgendwas gedacht, wie ich dich vom lesen kenne.
RE: Wann reden wir endlich wieder über soziale Themen und Soziale Gerechtigkeit?
in Alles rd. um Familie, Jugend, Kriminalität, Gesetze, Sozialstaat uvm 25.10.2019 19:34von moorhuhn • | 1.493 Beiträge
Zitat von Findus im Beitrag #9
Integration in die Gesellschaft verläuft heute jedoch noch vollständig über Arbeit.
Genauso ist das!
Ich sehe als die größte Herausforderung der Neuzeit, sich von diesem Mantra zu verabschieden. Und ich finde Kuschelgorillas Gedanken dazu sehr zielführend.
Irgendwann haben uns die Roboter überrollt und die soziale Frage wird immer drängender.
Es ist ja nicht so, dass nur die "Alten" abgehängt werden, die jungen Leutz haben schon seit geraumer Zeit andere Prioritäten gesetzt. Sie wollen "leben", ihre Familien nicht nur versorgen sondern sie erleben, kreativ sein, vielen Interessen nachgehen etc.
Jede Entwicklung, technische Neuerung oder anderweitige wirtschaftliche Veränderung wird zuerst als Erleichterung des Lebens angepriesen. Warum bitte, ist es so schwer, ein System zu finden, dass alle an dieser Erleichterung in Würde teilhaben können?
Und ich schreibe hier nicht nur von den abgehängten Alten, auch die noch ganz Kleinen werden schon abgehängt, weil man ihren Eltern per Sozialgesetz noch nicht mal 4 Wochen Eingewöhnungszeit in der KITA zubilligt.
Der frühe Vogel kann mich mal !
RE: Wann reden wir endlich wieder über soziale Themen und Soziale Gerechtigkeit?
in Alles rd. um Familie, Jugend, Kriminalität, Gesetze, Sozialstaat uvm 26.10.2019 00:11von Gelöschtes Mitglied
Na ja - mich brauchst du nicht von einem BGE überzeugen....dazu gleich noch mehr.
Den Vorschlag mit dem Abschlag für Strom halte ich aber heute schon für umsetzbar. Entsprechende Durchschnittsverbrauchsdaten liegen vor - und die Hartz IV-Befürworter sind leichter für Sachleistungen zu begeistern denn für ein BGE. Dass man ei nBürokratiemonster braucht, wenn man die Strommenge entsprechend den berechtigten Bedürfnissen ermitteln will....passt eigentlich ins übliche Schema. Also insofern - ich halte es für falsch, aber immer noch für besser, als dass dieser Gruppe der Saft abgedreht wird.
Den Begriff BGE halte ich inzwischen für ausgebrannt. Dass einem Menschen da so richtig zuhören, und sich auch mal überzeugen lassen, erlebe ich nur noch selten.
Deshalb habe ich mir auch einen Alternativen Ansatz zurechtgelegt, der meiner Ansicht nach die Diskussion eventuell erneut beleben könnte.
Die Ausgangsüberlegung ist, dass hinter dem sozialen Absicherungssystem historisch schon immer der Gedankengang der Existenzgrundsicherung steckt. Das entsprechende Prinzip wurde zwar Ende des 18. Jahrhunderts zunehmend mehr eingeführt, jedoch nicht konsequent und konsistent, sondern vielmehr als Stückwerk.
Aus diesen Überlegungen heraus sind in der Folge bis heute die sozialen Sicherungssysteme entstanden, bestehend aus:
Kindergeld/Kinderfreibetrag
Hartz IV
Steuerbefreiung des Existenzminimums
Grundsicherung in der Rente
aber auch:
die Rentenversicherung
die Krankenversicherung
die Pflegeversicherung
die Arbeitslosenversicherung
die gesetzliche Unfallversicherung für Arbeitnehmer
und auf jedem Fall auch:
die Fürsorgepflicht des Staates für Beamte
und einige mehr.
Würde man das heute ganzheitlich neu aufsetzen, in Kenntnis dessen, was sich bewährt hat, dann würde man als erste Säule des Sozialsystems zunächst einmal eine Existenzgrundsicherung einführen - von der Wiege bis zur Bahre, für jeden.
Der Vorteil einer solchen Expliziten Säule des Sozialsystems könnte sein, dass man die jeweiligen Kriterien einheitlich organisieren würde. Das ist heute mitnichten der Fall - es gibt in allen sozialen Sicherungssystemen ähnliche aber dennoch differenzierte Kriterien.
Eine einheitlich organisierte Existenzgrundsicherung könnte durchaus noch Bedingungen haben - allerdings wären die in jedem Fall einheitlich geregelt.
Eine solche Existenzgrundsicherung wäre noch kein BGE - dennoch würde sich unser Sozialstaat damit deutlich weiter entwickeln. Vor allem könnte man die heutigen Verflechtungen von Finanz- und Sozialsystem bei einer solchen Neuausrichtung konsequent entflechten - und zwar für den wesentlichsten Teil unseres sozialen Sicherungssystems.
Ein Vorbild für einen solchen Ansatz gibt es auch - beispielsweise die Trennung und Neuerrichtung der Pflegeversicherung - denn Teile der Leistungen dieser waren zuvor in der Krankenversicherung mit beinhaltet.
Würde man dann die Existenzgrundsicherung aus den bestehenden Sozialversicherungen konsequent rausnehmen, würde auch deutlich werden, dass wir beispielsweise gerade KEIN Problem in der Rente haben - sondern allenfalls in der Existenzgrundsicherung. DIESES Problem aber würde wegfallen - weil in einer umlagefinanzierten Existenzgrundsicherung alle Bürger von Anfang an Einzahlen würden, und auch alle Bürger von Anfang an mit versichert wären, und Leistungsemfpänger sein könnten.
Der Vorteil der Forderung nach einem (eigenständigen aber einheitlichen) Existenzgrundsicherungsgesetzes könnte sein, dass man gerade nicht in die Scheindiskussionen rund um das BGE stolpert - sondern nur etwas einheitlich und vereinfachend organisiert, was es heute schon gibt.
Juristen würden einen solchen Vorschlag ganz sicher begrüßen und gerne daran mitarbeiten, ein solches Feld mal endlich aus rechtlicher Sicht sauber zu definieren. Ein solcher Zugang sollte auch erst mal halbwegs Mehrheitsfähig quer über alle politische Lager sein, weil man ja durchaus noch Bedingungen definieren kann, oder auch definieren kann, was als Geldleistung, und was als Sachleistung organisiert wird. Man muss also nicht gleich alles verändern.
Ein entsprechendes Gesetz könnte also vor allem auch mal aufräumen im Gemischtwarenladen der sozialen Sicherungssytseme - und das wäre nicht der schlechteste Ansatz.
Gleichzeitig und unbenommen - ein solcher Ansatz wäre eine gute Grundlage auch dann, wenn BGE mal auch eine politische Mehrheit hat.
RE: Wann reden wir endlich wieder über soziale Themen und Soziale Gerechtigkeit?
in Alles rd. um Familie, Jugend, Kriminalität, Gesetze, Sozialstaat uvm 26.10.2019 00:38von Gelöschtes Mitglied
Zitat von kuschelgorilla im Beitrag #10
Mit all den Aufgaben, die auf uns zukommen, ist das BGE die einzig mögliche Lösung, die ich sehe.
Es gibt viele andere Möglichkeiten, wie man bei den Themen der sozialen Sicherungssysteme vorankommen kann. BGE ist nicht die einzig mögliche Lösung! (Wenn auch für mich die konsequenteste und sicher auch wünschenswerteste)
Ein Beispiel:
Ein Forderung ist immer wieder, dass sich Arbeitgeber paritätisch an bestimmten sozialen Sicherungssytemen beteiligen. Gleichzeitig wird das zunehmend für die einen zum Problem (weil Kostenfaktor) und für die anderen zum Jubelsystem (weil sie hohe Automation haben, und deshalb wenig zahlen müssen.....)
Eine Alternative wäre, zwar die paritätische Finanzierung der Sozialsysteme durch die Arbeitgeber sicher zu stellen - aber die Beiträge der Arbeitgeber nicht mehr entsprechend der Löhne zu erheben, sondern als Anteil am Umsatz.
Heute ist es so, wenn man einen Umsatz von sagen wir mal 100 Millionen macht, und 2 Millionen an Sozialbeiträgen zu zahlen hat - dann kann man durch Automation die Sozialbeiträge der Arbeitgeberseite reduzieren. Es ist also ein Kostenvorteil bezogen auf die Sozialsysteme, zu automatisieren - und ein Nachteil, wenn man relativ zum Umsatz mit hohen Personalkosten daher kommt.
Bei Dienstleistungsberufen führt dies zu einem strukturellen Nachteil - bei Branchen mit hohem Automatisierungsgrad (Beispiel Internetfirmen) zu einem strukturellen Vorteil. Würde man die Sozialbeiträge der Arbeitgeberseite an den Umsatz koppeln, wäre diese Benachteiligung des personalintensiven Dienstleistungssektors deutlich abgeschwächt.
Die Koppelung an den Umsatz wäre für die Unternehmen auch leicht zu kalkulieren, und deutlich Krisenfester für Unternehmen, als die Sozialbeiträge, die beispielsweise in Krisenzeiten dazu neigen, dass sie steigen.(Arbeitslosenversicheurng, in der Folge auch Krankenversicherung, Pflegeversicherung.....)
Beim Umsatz könnte man das Prinzip einführen, dass es um den Umsatz geht, der in Deutschland gemacht wird.....das würde die Exportwirtschaft einerseits entlasten, andererseits aber ausländische Firmen, die in Deutschland Umsatz machen, mit an der Finanzierung des Sozialsystems beteiligen.
Um wirtschaftliche Schwankungen bei den Umsätzen ausgleichen zu können, könnte man den Hebesatz in normalen Zeiten etwas zu groß ansetzen, so dass ein Ausgleichsfond angespart werden kann, so dass man in wirtschaftlich schlechteren Zeiten nicht gleich die Hebesätze erhöhen muss. Das wäre auch ein Instrument, um ausreichend Stabilität für die Arbeitgeberseite in die Kostenkalkulation hinzubekommen - denn für Unternehmer ist vor allem die Unsicherheit ein Gift.
Um mal etwas in Zahlen zu gießen:
Die Kosten für die Sozialsysteme belaufen sich derzeit pro Jahr annähernd nahe bei 1000 Milliarden Euro. Das BIP beträgt ca. 3340 Milliarden Euro. Im BIP enthalten sind aber auch heute schon ca. 400 Mrd. Euro der Arbeitgeberseite für die Sozialsyteme. Mit ca. 10-15% Aufschlag auf den Umsatz könnte man also die Sozialsysteme paritätisch finanzieren - im Gegenzug würden die Arbeitgeber um ca. 400 Mrd. Euro entlastet.
Ein 15%-Aufschlag auf den in Deutschland gemachten Umsatz wäre ein guter Anfang - damit würde man Überschüsse erzielen, die man als Ausgleich in einen Fond geben könnte, der bei wirtschaftlichen Schwierigkeiten verhindert, dass der prozentuale Aufschlag bei sinkenden Umsätzen erhöht werden muss.
RE: Wann reden wir endlich wieder über soziale Themen und Soziale Gerechtigkeit?
in Alles rd. um Familie, Jugend, Kriminalität, Gesetze, Sozialstaat uvm 26.10.2019 09:21von Findus • | 2.765 Beiträge
Zwei Anmerkungen.
Zitat von moorhuhn im Beitrag #12
Und ich schreibe hier nicht nur von den abgehängten Alten, auch die noch ganz Kleinen werden schon abgehängt, weil man ihren Eltern per Sozialgesetz noch nicht mal 4 Wochen Eingewöhnungszeit in der KITA zubilligt.
Was für besondere Gesetzgebung habt ihr in Sachsen?
Das Berliner Eingewöhnungsmodell geht übrigens von 6 Wochen Eingewöhnung aus. Kann ein Kind sich im KiTa nicht eingewöhnen, können KiTas in der Regel den Betreuungsvertrag kündigen. Sehr verständlich deine Aufregung.
Zum BGE:
Zitat von Atue im Beitrag #13
Ein entsprechendes Gesetz könnte also vor allem auch mal aufräumen im Gemischtwarenladen der sozialen Sicherungssytseme - und das wäre nicht der schlechteste Ansatz.
Der Gemischtwarenladen hat auch Vorteile. Er ermöglicht es, dass - wenn alles richtig läuft - jeder individuell auf seinen Bedarf zugeschnitten Unterstützung bekommt. In den Sozialgesetzbüchern stecken auch nicht nur finanzielle Leistungen, sondern auch Leistungen wie Krankengymnastik, Weiterbildung, Rehabilitation, Beratung usw.
Den Kanon der 12 SGB könnte ein BGE - Gesetz also nicht auflösen. Es würde vielmehr zu einem weiteren Gesetz, dass sämtliche finanziellen Leistungen regeln möchte.
PS: Beim Kindergeld/Kinderfreibetrag handelt es sich um Steuergesetzgebung. Findet sich im Einkommenssteuergesetz.
Bitte geben Sie einen Grund für die Verwarnung an
Der Grund erscheint unter dem Beitrag.Bei einer weiteren Verwarnung wird das Mitglied automatisch gesperrt.
Besucher
0 Mitglieder und 3 Gäste sind Online Besucherzähler Heute waren 165 Gäste und 6 Mitglieder, gestern 186 Gäste und 6 Mitglieder online. |
Forum Statistiken
Das Forum hat 2292
Themen
und
51445
Beiträge.
Heute waren 6 Mitglieder Online: |