Indien hat gewählt, und das Ergebnis überrascht, zumindest ein wenig. Vohergesagt wurde eine bequeme Mehrheit für Modi und seine Hindunationalisten (BJP). Doch sie sind "nur" stärkste Partei geblieben. Verloren haben sie viele Sitze, und die abs. Mehrheit auch. Mit seinen bisherigen Koalitoinspartnern würde es aber weiterhin für eine Mehrheit reichen. (Ja, er gab offenbar eine Koalitionsregierung, obwohl die BJP auch so eine Mehrheit hatte. Vielleicht waren sie für Vorhaben wichtig, die mehr als 50% der Abgeordneten, z.B 2/3-Mehrheit benötigten.). Die Koalitionspartner wollen nach ersten Angaben weiter mit der BJP regieren, vieleicht im Bewusstsein, dass sie nun mehr Macht bekommen werden und auch für normale Mehrheiten essentiell werden. Aber die Opposition, die Kongresspartei, wirbt bereits für den Wechsel.
https://www.msn.com/de-de/nachrichten/po...ahl/ar-BB1nB1Er
Man merkt eines:
In Indien funktioniert das Wählen trotz allem. Modi, der gerne als der indische Putin gesehen wird (zumindest innenpolitisch), ist zwar weiterhin beliebt. Aber gewählt wird ja er nicht direkt, sondern die Abgeordneten für die Lok Sabha (Unterhaus). Möglich, dass sie lange nicht so beliebt sind.
Insbesondere habe ich in englischen Quellen gelesen, dass die BJP im Bundesstaat Uttar Pradesh (UP) sehr deutlich verloren hat. UP ist in Indien das, was in Deutschand NRW ist, nämlich der mit Abstand bevölkerungsreichste Bundesstaat. Mit 200 Mio Ew. ist er nebenbei die bevölkerungsreichste unterstaatliche Verwaltungseinheit überhaupt (zum Vgl: in DE ist es NRW mit 17 Mio und in Europa ist es England mit ca. 56 Mio Ew.). UP liegt in der sehr fruchtbaren Gangesebene östlich von Neu Delhi und hat u.a. auch die bekannte bzw. heilige Städte wie Agra (Taj Mahal), Varanasi (früher: Benares, wo jeder sich im Ganges reinwaschen will), Ayodhya (Moschee in den 90ern niedergerissen, jetzt ein nagelneuer Hindutempel, schwelender Konflikt aber schon seit der Unabh. von IN) und Prayagraj (ehemals Allahabad, das "Passau" von IN, wo der Yamuna in den Ganges fließt). Doch es zählt zu den ärmeren Bundesstaaten, und es scheint so, als ob gerade die Armen dem Modi einen kleinen Denkzettel verpassen. Denn Indiens Wirtschaft ist zwar kräftig gestiegen, aber die Armen haben bislang nicht oder nicht in dem Maß davon profitiert. Zudem kann die drohende Aushöhlung der Demokratie auch ein Grund für die Stimmenverluste sein.
Es scheint so, dass man Modi eine weitere Chance gibt dank seines Charismas und dass er Indien weiter vom kolonialen Erbe Großbritanniens befreien will. Doch oft wird der Zugang zu besserem Leben durch das Kastensystem verhindert. Es sind dabei weniger die Hauptkasten (Varna), denn von den 4 Hauptkasten und inzwischen auch von den Unberührbaren gibt es Reiche und Arme. Die Untergruppen der Hauptkasten (Jati), die bis zu einem gewissen Grad mit den Zünften im Mittelalter vergleichbar sind, sind eher das Problem. Davon gibt es Tausende. Wer darin geboren ist, hat es schwer, da raus zu kommen.
https://de.wikipedia.org/wiki/Kaste
Rein gesetzlich hat sich diesbezüglich viel geändert, aber das Kastenwesen ist in den Hindus tief verwurzelt, und gerade die Hindunationalisten tun wahrscheinlich wenig oder gar nichts, um das zu ändern.
Dass es knapp werden konnte, damit habe ich durchaus gerechnet. Über IN informiere ich mich gerne. So gab es in letzter Zeit immer wieder soziale Unruhen. Z.B.im Punjab gab es - hier kaum verfolgt - massive Bauernproteste (nicht nur in DE), die u.a. Bahnstrecken tagelang blockierten. Es lag also einige Unzufriedenheit in der Luft.
Nebenbei noch etwas:
Dieses Jahr ist ein globales Superwahljahr: das flächenmäßig größte Land hat schon gewählt (wobei man sich fragt, ob man dort überhaupt die Wahl hatte), gerade eben das bevölkerungsreichste Land, und im November wählt das mächstigste Land seinen Präsidenten. Ein Gefühl sagt mir, dass die Wahl ausgerechnet in Indien trotz aller Logistik in so einem oft chaotisch wirkendem Land noch am besten ablaufen sollte. In den USA bin ich mir nicht sicher. In letzter Zeit dauert die Stimmenauszählung dort ungewöhnlich lange.